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Reife und Schönheit

 

 

Berührtsein, Lieben, Lachen

 


Am 26. April 1336 besteigt der Dichter Francesco Petrarca mit seinem Bruder den Berg Ventoux. Eine der frühen Bergbesteigungen der Geschichte. Die Sicht auf die Landschaft aus großer Höhe berührt ihn so stark, dass sich ihm auch eine neue geistige Sicht auf die Welt erschließt, indem er das Sich, das Individuum entdeckt – eine radikale Abkehr vom mittelalterlichen Denken. Ergriffen schreibt er, dass die Menschen die Höhe der Berge bestaunen, die Fluten der Meere und die Bahnen der Gestirne bewundern und dabei „sich selbst vergessen“.


Die bildende Künstlerin Dorothy Iannone reist im Jahr 1967 mit ihrem Ehemann von New York nach Reikjavik und trifft dort den bildenden Künstler Dieter Roth. Später sagt sie: „Als ich Dieter sah, wusste ich, dass ich mein Leben ändern würde." Sie verlässt ihren Ehemann und lebt mit Dieter Roth sieben Jahre lang zusammen und macht ihn zu ihrer Muse. Liebe ist ein Gefühl großer Zuneigung und Wertschätzung und übersteigt sowohl den Verstand als auch den gewöhnlichen Sinn einer zwischenmenschlichen Beziehung.


Robert Musil berichtet in einer Erzählung von einem Pferd, das jedes Mal, wenn der Stallbursche zum Striegeln kommt, seine Vorfreude zum Ausdruck bringt und beim Striegeln sogar zu lachen scheint, was beim Leser eine wunderbare Stimmung auslöst, und Musil schließt aus dem Gebaren, dass Pferde lachen können. Allerdings könnten sie wohl nicht, endet er lakonisch, über Witze lachen.


Nichts enthält mehr Weisheit als Lieben, Lachen und Berührtsein. Drei unterschiedliche abenteuerliche Begebenheiten des Lebens, die weit über den Alltag hinausweisen. In der Liebe wächst der Mensch über sich hinaus, Lachen, möglicherweise schon bei einigen Tieren zu beobachten, ist ein angenehmes Erleben und im Berührtsein ist der Mensch eins mit dem All. Nichts stärkt die winzigen Helfer unseres Immunsystems mehr als diese drei Phänomene.

 

Natur und Gegenstand

 

Doch was sind Pferd und Berg, Mensch, Meer und Gestirne? Sie sind das Gegebene, das, was wir Natur nennen. Überhaupt nennen wir alles, was ist, Natur. Alles, was schon vor dem Menschen war, den auch sie hervorgebracht hat. Natur ist die Erde mit ihrem heißen und bewegten Innen, mit ihrem üppigen und wuchernden Außen und dem sie umgebenden planetarischen Raum. Auch Unsichtbares wie die Gesetze der Physik, der Chemie und der Biologie, die die vielfältigen Farben und Formen, Tiere und Pflanzen, Himmelsphänomene und das Klima zur Erscheinung bringen, sind Natur. Allerdings gibt es Natur oder die Natur nur durch Blick, Wahrnehmung und Deutung des Menschen. Natur an sich gibt es nicht.


Natur ist gegenstandslos. Das lateinische Wort natus für Natur bedeutet geboren, das griechische Wort phyein für Natur und Physik entstehen. In beiden Fällen beziehen sich Geborenwerden und Entstehen auf das Hervorgehen aus dem großen Ganzen – möge es Kosmos, Weltall oder Universum heißen, während der Mensch, der allein dies alles beobachtet und reflektiert, sich auch als denjenigen erkennt, der Kultur hervorbringt.


Die Griechen haben vier Grundelemente angenommen, aus denen Natur oder Welt bestehen: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Demokrit hat in ihnen ein sehr kleines Gemeinsames erahnt – das Atom, das Unteilbares heißt. Heute wissen wir, dass sich Atome aus noch kleineren Teilchen wie Proton, Neutron und Elektron zusammensetzen, oder aus Strings.


Atome verbinden sich mit anderen Atomen zu Kristallen und zu Molekülen. Die Bindungsmöglichkeiten der Moleküle sind vielfältig. Zuerst ist der abkühlende Erdball unbelebt. Die anorganischen Verbindungen dieser Zeit sind den Gesetzen der Physik und Chemie unterworfen. Doch infolge der Vielfalt bilden sich nach und nach komplexe und bewegliche Verbindungen, aus denen die ersten Lebewesen entstehen. Die kleinste lebende Einheit ist die Zelle, die allein für sich oder in großen Verbänden wie Pflanzen, Tieren und Menschen bestehen kann. Zellen bilden eine Einheit mit einer umschließenden Membran, die Öffnungen hat, die mit unterschiedlichen Strategien passiert werden können. Innerhalb der Zellen, zwischen den Zellen und zwischen den Zellen und ihrer Umgebung findet ein gewaltiger Transport von Stoffen statt – der Stoffwechsel. Es sind gewaltige Fähigkeiten, die zum Leben einer Zelle, eines Zellverbandes oder eines ganzen Lebewesens gehören: Fortpflanzung, Stoffwechsel, Selbstregulierung, Ordnung, Reizaufnahme und Vererbung. Aus diesen subtilen Vorgängen ist der ganze Reichtum des Lebendigen entstanden.


Die ersten Lebewesen außerhalb des Wassers sind grüne Pflanzen. An sie ist der Mensch noch heute evolutiv angepasst. Dass die Natur für den Menschen Qualität und Schönheit besitzt, zeigt sich darin, dass Aufenthalte im Grünen guttun: Das Grün, die Langsamkeit und die Reizarmut nehmen Stress und heben Selbstwert und Wohlbefinden.

 

Das Unternehmen Mensch

 

Menschen sind biologische Unternehmen, während die Unternehmen des Menschen seine Kultur sind. Die sachlichen Verhältnisse zeigen, dass Natur und Kultur nicht getrennt sind, denn beide haben sich in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander entwickelt und sind Teil der universalen Fähigkeit der Evolution. Mensch und Unternehmen sind Teil der universalen Ökonomie und beide funktionieren nach dem Prinzip der Einheit und der dynamischen Balance von Einfuhr und Ausfuhr – der Ordnung des Hauses.


Der Mensch entsteht aus einer einzigen befruchteten Eizelle (Unternehmensgründung). Durch Zellteilung werden Erbinformationen weitergegeben (Unternehmensentwicklung). Die winzigen Zellen sind gewaltige Produktionsstätten: Sie wandeln Stoffe um, transportieren Material, erzeugen Energie und stehen mit ihrer Umgebung in einem unablässigen Austausch (Produktion und Konsumption). Sie bilden die Basis des Unternehmens Mensch und fungieren als Mitarbeiter und Träger des Könnens und der Information. Sie wehren Reize, Informationen und Rohstoffe ab (Krisenmanagement) oder nehmen sie an und arbeiten die Rohstoffe in zelleigene Substanzen um. Die Zellen teilen sich, lassen den Organismus wachsen und leisten ihren Beitrag dazu, alle Prozesse in einem dynamischen Gleichgewicht zu halten. Sie arbeiten nach einem ihnen innewohnenden Plan (Unternehmensmission) und bilden Kraft und Essenz des Gesamtorganismus. In ihrer Geschichte haben sich die Zellen zu größeren Einheiten verbunden, sich zu Funktionen und Organen wie Lunge, Herz und Blutkreislauf, wie Sinne, Gehirn und Muskeln spezialisiert (Kooperation). Das erwachsene Gehirn schließlich bringt den Menschen in die Lage, zu träumen (Unternehmensvision), zu empfinden, zu denken und für die Zukunft zu planen.

 

Das neue Streben im Kosmos – die Nahrungssuche

 

Wem dient der rege Austausch von Stoffen in und zwischen den Zellen? Es sind der permanente Umbau und die Verrichtung von Arbeit, die ständig nach neuen Substanzen verlangen, so dass mit dem Entstehen des Lebens ein emsiges Streben in die Welt eintritt – das Suchen nach Nahrung.


Erst das Lebendige, Organische ist mit dem unbändigen Streben der Nahrungssuche ausgestattet. Orte mit einem passenden Milieu und geeigneten Substanzen müssen gefunden werden, um das Leben und Überleben zu sichern. Die Nahrung für ein bestimmtes Lebewesen besteht aus den Substanzen, aus denen das Lebewesen selbst besteht, oder in die es die Nahrung umwandeln kann. Nicht zufällig bedeutet das Wort Nahrung retten, überstehen, am Leben erhalten.


Nahrung ist eine Notwendigkeit der menschlichen Existenz. Der Mensch braucht sie für die unablässigen Vorgänge in Muskeln, Gelenken, Organen sowie bei Steuerfunktionen und bei Arbeitsverrichtungen. Daher hat er sowohl ein emotionales Verhältnis zu seiner dinglichen Umwelt, die er auch Mutter Natur nennt, als auch zur Nahrung, da sie ihm das gibt, was er braucht. Nahrung ist oft emotional so stark besetzt, dass sie entweder als schön und qualitativ hochwertig empfunden wird – oder als abstoßend.


Die Qualität und die Schönheit von Nahrungsmitteln werden oft als Sache des Geschmacks angesehen, eine Auffassung, die nur bedingt zutrifft. Schon Säuglinge begleitet ein intuitives Wissen. Sie begeistern sich weder für saure und bittere noch für salzige Speisen. Der Umami-Geschmack wird akzeptiert, wirkt aber eher neutral. Ihn hat der japanische Chemiker Kikunae Ikeda im Jahr 1908 entdeckt. Der Geschmack wird ausgelöst durch den Geschmacksträger Glutamat, der sich in eiweißhaltigen Lebensmitteln wie Milch, Käse und Fleisch befindet. Umami bedeutet japanisch wohlschmeckend.


Die Ablehnung der Bitterstoffe liegt in der Intensität, denn die Geschmacksrezeptoren sind um ein Vielfaches empfindlicher als die für süße Nahrung. Es bedarf eines klaren Zeichens, weil viele Bitterstoffe giftig sind und den Tod des Lebewesens nach sich ziehen können. Salziges mögen Säuglinge nicht, weil die Evolution ihnen mitgegeben hat, dass es ihre Nieren schädigen kann. Die Abneigung gegen Saures folgt dem Gedächtnis der Evolution, dass Früchte noch nicht reif oder bereits verdorben sind. Was bleibt, ist eine uneingeschränkte Vorliebe des Säuglings für das Süße, das durch seinen Kohlenhydratgehalt rasch Energie liefert. Der Geschmack erfüllt in der Evolution wichtige Funktionen: Er prüft, ob Nahrung den eigenen Zellen und Organen zuträglich ist und Energie gibt. Zuträglich heißt, dass die Bestandteile der Nahrung in körpereigene Stoffe umwandelbar sind. Bei der Erkundung wird der Geschmack durch die Nase unterstützt. Ebenso durch das Auge, das nach dem Schönen Ausschau hält: Die Rede vom schönen Apfel, der schönen Erdbeere oder dem schönen Pfirsich ist eine Verlockung und regt Menschen an, nach ihnen zu greifen. Der biblische Apfel lockt sogar mit Erkenntnisgewinn.

 

Weise ohne Moral

 

Der Mensch hat früh erkannt, dass das ihm Gegebene eine Art Weisheit besitzt. Aber auch, dass es ohne Moral ist. Das bietet ihm die Möglichkeit, es ihm gleichzutun und über eine Verantwortung ohne Moral nachzudenken. Gerade darin liegt das Potenzial der Weisheit: sie bewertet nicht, erteilt keine Zensuren und kommt ohne Ideologie, Religion, Parteilichkeit und Weltanschauung aus.


Weisheit ist ein tiefes Verständnis des Menschen von seinem persönlichen Leben. Sie handelt von seinen Träumen und Bedürfnissen, von seiner Kulturverbundenheit sowie von seiner Angst vor Verlust und Tod. Sie ist zugleich ein tiefes Verständnis vom gesellschaftlichen Leben und vom Weltgeschehen im Allgemeinen. Meisterlich begreift der Weise das Wesen des ihm äußerlichen wie innerlichen Seins. Dass er beide Bereiche ohne Moral meistert, bedeutet, dass er den Sitten und Bräuchen seiner Kultur nicht bedingungslos folgen muss. Er ist, wie Laotse sagt, ohne Regel.


Weisheit ist Ordnung, Einfachheit und Reife und zielt auf ein zweifaches Gut: das Wohlbefinden des Menschen und das Wohl der Menschheit. Potenziell ist jeder Mensch weise: Jede seiner etwa hundert Billionen Zellen ist aus einer lebenden Zelle hervorgegangen, die einer lebenden Zelle entstammt, die sich wiederum von einer lebenden Zelle herleitet. Und so fort, bis hin zu den ersten lebenden Zellen. In dieser langen Entwicklung und Erfahrung ist die Weisheit der Zellen entstanden. Sie ernähren sich, tauschen sich aus, haben Erfolg und Misserfolg, sammeln die Erfahrungen und ziehen daraus Konsequenzen. Jeder kleine Schritt wird registriert, gespeichert und zu neuen Fähigkeiten verarbeitet. Vor allem aber arbeiten alle Zellen zusammen und geben einem Organismus nach Jahrmillionen eine unglaubliche Stabilität und Intelligenz und statten den Organismus mit unglaublichen Fähigkeiten der Abwehr vor schädlichen Eingriffen aus. Insofern hat jeder Mensch Anteil an der Weisheit der Zellen, denn das, was sich in der Zelle abspielt, spielt sich auch im Menschen ab. Es sind Zellen, die dem Säugling die Nahrung empfehlen, und die Erwachsene nicht blind nach Nahrung suchen lassen, denn zielstrebig laufen sie Jahrmillionen hinter ihrer Nahrung her: Es zieht sie in die Gegenden, wo sie von Früchten und essbaren Pflanzen wissen, oder sie folgen den Tieren, weil sie wissen, dass es auch diese dorthin zieht.

 

Das scheinbar andere zur Natur – die Kultur

 

Der Mensch ist ein Phänomen unter anderen. Andererseits ist er mit Besonderheiten begabt, wodurch er seine Ursprünglichkeit verlassen und ein neues Kapitel der Evolution aufschlagen kann – die Kultur. Das macht ihn gleichermaßen zu einem Wesen der Natur und zu einem Wesen der Kultur: eine Ambivalenz, die seine Existenz charakterisiert. Sein Kulturvermögen verdankt er seinen Geisteskräften. Der aufrechte Gang, der freie Gebrauch der Hände, die Überkreuzverflechtung der Hirnhälften beim Gebrauch der Hände, wie der Verzehr vermehrter eiweißhaltiger Nahrung haben ein enormes Wachstum des Gehirns ausgelöst und das Tier (animal) zum Menschen (animal rationale) umgeformt.


Äußerlich sichtbar kommt sein Kulturvermögen in Dingen oder Gegenständen zum Ausdruck. Solange Menschen als Jäger und Sammler unterwegs sind, kennen sie nur wenige Gegenstände, da sie eine zu große Last beim Durch­queren der weiten und unwegsamen Gelände wären. Doch dann geschieht das Aufregende: Sie bleiben auf ihrem Weg stehen, halten inne und erfinden das Haus – einen verkleinerten und überschaubaren Kosmos. Doch das Anhalten und der Hausbau war ein Risiko, denn sie konnten nicht sicher sein, den kommenden Winter zu überleben. Dass sie sich sesshaft machten, bedeutet nicht weniger als die Entscheidung dafür, der Nahrung nicht länger nachfolgen zu wollen.


Mit dem Bau des Hauses wird alles am Menschen anders. Denken, Fühlen und Verhalten ändern sich, die großen Muskelkräfte und das Atemvermögen werden verringert und die langen Wanderungen werden in kleine Bewegungen und Gesten der Häuslichkeit umgewandelt. Mit dem Bestellen von Acker und Garten und der Zucht von Tieren schafft sich der Mensch eine neue, eigene Welt, für die neue Werkzeuge und Gebrauchsgüter sowie eine Infrastruktur aus Wegen und Grenzmarkierungen erforderlich wurden. Damit ist der Beginn der Dingproduktion eingeläutet. Doch die eigentliche Sensation des Acker- und Gartenbaus besteht darin, dass der Mensch nicht mehr seine Nahrung, die ihm gegeben wird, nur nimmt, sondern dass er beginnt, sie selbst herzustellen. Er backt Brot aus Getreide, kocht Mus aus (Gemüse) aus essbaren Pflanzen und schlachtet Tiere, um aus ihnen unterschiedliche Lebensmittel herzustellen.

 

Qualität und Leichtigkeit

 

Der Mensch, der begreift, dass er das, was er isst, auch selbst ist, erkennt, dass Nahrungsmittel von sich aus Wert und Kostbarkeit besitzt und ein Maß für Qualität bilden. An ihrer Kostbarkeit kann sich der Mensch ausrichten. Mit dem Wort kostbar assoziieren wir auch essbar, so dass Kostbarkeit auch das ist, was der Mensch in sich verarbeiten kann und daher Nahrung heißt. Sowohl leiblich und geistig als auch emotional.


Qualität ist eine Bedingung zur Erlangung einer Lebensbalance. Balance – das Angemessene und das Ausgewogene – gehört in den Bereich der Qualität. Subjektiv ist Qualität die wohltuende Wirkung auf die Sinnesorgane. Sie wirkt fördernd auf das Denken und die Kreativität, auf das Wohlbefinden und die Festigung des Lebenssinns – ein Prinzip, das Menschen motiviert und anspornt. Qualität mag eine gute Form, eine ausgefallene Funktion oder ein solides Material sein. Qualität macht den Menschen leicht, erhebt ihn und fördert seine schöpferischen Kräfte. Zugleich ist sie ein ökologischer Beitrag für eine Welt im Zeitalter der fortgeschrittenen Globalisierung, in der die Ressourcen der Erde knapper werden und daher gut mit ihr umgegangen werden muss. Zum Schutz der Ressourcen wird Qualität mehr und mehr zur Pflicht für Produzenten und Konsumenten.


Qualität tut gut. Sie löst eine angenehme, wohltuende Empfindung aus. Daher ist sie attraktiv und anziehend. Kaum etwas, das den Menschen mehr beeindruckt als (gute) Qualität.


Qualität kann gemessen werden und gilt dann als objektiv. Etwa, wenn ein Objekt eine erwartete Funktion gut ausführt, wie ein reibungslos rollendes Kugellager oder ein gut schneidendes Brotmesser. In den Fällen bezieht sich die Qualität auf Verhältnisse der Zeit und des Raumes. Die Qualitätsmerkmale gehören dann dem Objekt an und erweisen sich als ein hoher Grad der Eignung für einen vorgegebenen Verwendungszweck. Um Risiken zu untersuchen und Gefährdungen abzuwenden wie in der Luftfahrt, der Medizintechnik oder der Gesundheitsversorgung kann eine Qualitätskontrolle zu einer gesetzlichen Pflicht werden. Auch bei Nahrungsmittel kann Qualität objektiv gemessen werden, etwa durch die Güte ihrer Substanzen oder durch ihre Reife.


Qualität gilt als subjektiv, wenn sie in der oben ausgeführten Weise nicht gemessen werden kann. Etwa die Qualität des guten Designs, der schönen Zeichnung oder des raffiniert konstruierten Tisches. In dem Fall würden die Qualitätsmerkmale zum Subjekt, zur Haltung des betrachtenden Menschen gehören. Dennoch lässt sich auch hier ein objektives Element erkennen, denn das Wohlbefinden, das ein Objekt auslöst, gehört auch zu dessen Funktion und kann insofern als ein objektiver Gradmesser für Qualität angesehen werden.


Bei der Herstellung von Nahrung besteht die Aufgabe der Qualitätskontrolle darin, sowohl die objektive als auch die subjektive Qualität zu sichern: Sie prüft die Güte der Einzelbestandteile und ihre Kombinationen ebenso wie die Güte des subjektiven Geschmacks, der seine reine Subjektivität dann verliert, wenn er auf Angemessenheit, Kostbarkeit und Wohlbefinden bezogen wird und auf die Fähigkeit, anzuspornen, zu motivieren und zu erheben.

 

Schönheit und Glück

 

Nicht nur Menschen kennen Schönheit. Pflanzen und Tiere haben vielfältigste Lockmittel ausgebildet. Bis zu den Dinosauriern ist die Erde grün. Ausschließlich grüne Pflanzen. Erst dann entstehen Düfte und Blütenblätter färben sich bunt und setzen der Erde ein Lächeln auf.


Schönheit tut gut. Sie löst angenehme, wohltuende Empfindungen aus. Das macht sie attraktiv und anziehender als zuvor. Kaum etwas, das Menschen mehr beeindruckt als Schönheit.


Was solche Empfindung auslöst, sind Einwirkungen auf Körper, Seele und Geist. Wirken sie wohltuend auf die Sinnesorgane, sind Farben, Süßes, Sanftes, besondere Relationen des Raumes wie Symmetrie und Proportion oder Verhältnisse der Zeit wie Rhythmus und Melodie im Spiel. Da Eigenschaften und Merkmale qualitas bedeuten, ist zu erkennen, dass sich Schönheit und Qualität überschneiden.


Was Menschen als schön empfinden, unterscheidet sich innerhalb einer Kultur. Es gilt als Sache des persönlichen Geschmacks. Was sie als schön empfinden, unterscheidet sich auch von Kultur zu Kultur. Doch Studien zeigen, dass individuelle Merkmale wie ein symmetrisches Gesicht, weiße Zähne, dichtes Haar und eine reine Haut in nahezu allen Kulturen als schön gelten.

Dass Schönheit anzieht, wissen die Menschen zu allen Zeiten. Sie schmücken und verzieren sich, machen sich schön. Heute ist bekannt, dass Hormone beim Wahrnehmen von Schönem aktiviert werden und gemeinsam mit Erfahrung und Wissen ein wohltuendes Empfinden hervorrufen. Glückshormone, mit denen sich ein Wohlgefühl und positive Empfindungen wie Freude, Großzügigkeit, Freiheit, Kreativität und Gelassenheit einstellen.

In der Tierwelt hat Schönheit eine klar umgrenzte Funktion. Ein glänzendes oder farbenfrohes Gefieder der Vogelmännchen, oder die Kreativität und Biegsamkeit bei ihrem Balztanz verweisen auf ein gutes Eiweißdepot, das wiederum auf ihre Kraft und Gesundheit verweist, so dass das Vogelweibchen durch die Oberfläche des Gefieders oder der Beweglichkeit des Körpers hindurch die Gesundheit des Männchens wahrnimmt. Auch die Beschaffenheit der Oberfläche von Früchten lässt auf ihren inneren Zustand schließen: ihre Reife und Schönheit verweisen auf die Qualität der Frucht.


So waren Denker verschiedener historischer Epochen zu Recht immer wieder bemüht, Schönheit und Qualität mit den Attributen Güte und Wahrheit zu verbinden.

 

Die süße Seite der Nahrung

 

Der Mensch ist ein Streber. Ein Strebender. Das ist sein Wesen. Doch er gibt sich mit der Suche nach Nahrung nicht zufrieden. Immer wieder setzt er sich neue Ziele, weil er so neugierig ist. Seine Neugier hat ihn weit über die Nahrungssuche hinausgetrieben, indem er in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen nach Nahrung sucht, nach Herausforderungen und Grenzen. Gefunden hat er sie in spektakulären Abenteuern, in neuen Funktionen und einer kaum zu fassenden Technik, in bemerkenswerten Formen der Ästhetik und in höchster Qualität des Wissens – der Weisheit. Er sucht auch nach einer guten Welt und hat dafür ausgeklügelte Moraltheorien entworfen.


In der modernen Welt wandeln sich die Werte, denen die Menschen nachstreben in immer kürzeren Zyklen. Werte können auf die Eroberung von Macht und die Zerstörung und Behinderung von Freiheit zielen, doch Werte werden auch durch die Evolution getragen, entwickeln sich und machen Hoffnung auf eine gute Zukunft, denn immer häufiger streben Menschen bewusst nach einem guten Leben. Widrigkeiten bei der Arbeit oder in der Öffentlichkeit nehmen sie nicht länger in Kauf, sondern streben nach einer hohen Lebensqualität. Immer mehr Menschen erkennen, dass sie für sich, für andere, für die Erde und nicht zuletzt für ihre Nahrung Verantwortung tragen.

Süße Früchte und Getreide sind wichtige Lebensmittel. Sie sind die süße Seite der Nahrung. Sie erscheinen als schön und sind anziehend, weil sie schmecken oder zu schmackhafter, Energie liefernder Nahrung verarbeitet worden sind. Das Wort Frucht entstammt dem lateinischen Wort fructus und frui und heißt schmecken, genießen.


Die Frucht, die von einer Pflanze hervorgebracht wird, kann als eines der Zeichen von Qualität und Verantwortung angesehen werden. Es gibt ein Bild in unserem kulturellen Gedächtnis, das ein Kind zeigt, das einen wunderschönen Apfel als kostbare Belohnung und Süßigkeit in seinen Händen hält. Die Schönheit des Apfels, seine momentane höchste Qualität, hat mit seiner Reife zu tun, mit einer Zeit der Reife, in der der Mensch ein unmittelbares Erlebnis von Qualität erfährt und gleichzeitig das Leben als schön, als gut gelungen empfindet. Reife ist etymologisch das, was geerntet werden kann, und das, was sich in einem Zustand kurz vor dem Zerreißen befindet: ein Moment äußerster Spannung, größter Angemessenheit und höchster Qualität.


Wenn Reife eine Form von Qualität und Schönheit ist, so bedeutet dies, dass eine angemessene Entwicklung mit all ihren Erfordernissen an Zeit und Raum, an Pflege und Wissen in der Verantwortung des Menschen liegt. Die reife, uns verlockende Frucht spiegelt die Verantwortung des Menschen für all seine kulturellen Entwicklungen wider. Das bedeutet auch, dass all das, was ist, im Prinzip gut ist, was wir im eigentlichen Sinn unter Qualität und Schönheit verstehen.

 



© Hajo Eickhoff 2018



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