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The Office, Gottes Büro - die neue Einrichtung, 2011 (Ausstellung "What

Happened to God?", ACC-Galerie Weimar, Norbert W. Hinterberger

Aus: Mensch & Büro. Das Trendmagazin für den Lebensraum Büro,

Heft 7, 2008.



 


Die Geschichte des Büros

Teil I


Filz von Anfang an



Um die wertvollen Buchdeckel zu schützen, legten die mittelalterlichen Mönsche zwischen Buch und Tisch einen Filzstoff - die Burra. Der Begriff Büro war geboren. Dennoch dauerte es bis ins 18. Jahrhundert hinein, dass der Tisch zum Bureau wurde und dann der Raum, in dem der Tisch stand, zum Büro.



Das Büro leitet sich von einem Stück Tuch ab. Das Tuch – die Burra – liegt auf einem provisorischen Tisch, der aus zwei Böcken mit aufgelegtem Holzbrett besteht, auf dem Mönche in Handarbeit Bücher herstellen. Burra ist der Filzstoff der Mönchskutte, der die Bücher auf dem rissigen Brett schützt.

Die Arbeit in der klösterlichen Schreibstube dient der Herstellung heiliger Texte und Bücher. Die Arbeit im traditionellen Büro, wie es mit Beginn der Industrie entsteht, dient der Bilanzierung des Handels sowie der Lenkung der Produktion, des Einkaufs, der Verwaltung und des Vertriebs. Die Arbeit im Büro der Gegenwart dient darüber hinaus der Ordnung, Organisation und Verwaltung auch abstrakter und geistiger Erzeugnisse wie Logistik, Arbeitsstrukturen, Design und einer Vielzahl von Projekten. Die Arbeit in der gegenwärtigen Welt ist wesentlich Büroarbeit geworden. Von Büros aus werden Unternehmen geführt, wissenschaftliche Neuerungen entwickelt und politische Ordnungen gelenkt. Auch Lehrerzimmer und Arztpraxen sind Büros geworden, während Flure, Foyers und Cafés spontan zu Büros werden, wenn jemand einen Computer aus der Tasche zieht und zu arbeiten beginnt.

 

Das Kloster


Klöster sind Unternehmen. In ihnen hat sich die Idee des Büros entwickelt. Sie sind Produktionsstätten materieller und geistiger Güter, die die antike Kultur durch das Abschreiben und Übersetzen alter Papyrus- und Per­gamentrollen bewahren.

Das durch Ordensregeln bestimmte Klosterleben macht das Kloster zu einer einheitlichen Institution und bringt eine Verbindlichkeit hervor, die das Gemeinschaftsleben der Mönche zur Vita communis anregt, die eine frühe Art der Teamarbeit darstellt. Das Kloster wird zentral durch den Vorsteher, den Abt verwaltet. Über ein Büro verfügt er jedoch noch nicht.

Da die Klosterinsassen angehalten sind, asketisch zu leben, moralisch zu denken und zu handeln und planvoll zu arbeiten, sind viele Klöster neben Kulturzentren auch wohlhabende Einrichtungen geworden, deren Vorsteher oft mehr Einfluss als Fürsten und Bischöfe genießen.

 

Bildung, Buchproduktion, Büro


Die sachliche Notwendigkeit für die Entstehung des Büros ist das Buch, dessen Herstellung eine Unterlage erfordert. Bücher bilden eine wesentliche Grundlage in der Kulturentwicklung des Abendlandes. Sie sind Kulturspeicher, die das kulturelle Wissen und Können bewahren, pflegen und entwickeln. Die den Pergamentrollen nachfolgende Buchform ist der römische Codex, der sich im dritten nachchristlichen Jahrhundert durchgesetzt hat. Er besteht aus gefalteten, übereinander gelegten und lose zusammengehefteten Pergamentblättern. Gebundene Bücher gibt es erst mit der Entwicklung von Papier im 13. Jahrhundert. Die Mönche schreiben die Texte mit der Hand und schmücken den ersten Buchstaben einer Seiten oder eines Absatzes aus. Die Buchdeckel bestehen aus Holz und sind mit Leder oder Pergament bespannt, die kunstvoll verziert sind. Um den kostbaren Buchumschlag nicht zu beschädigen, kennen die Mönche zwei Methoden: Sie legen zwischen Tisch und Buch die Burra oder schlagen fünf Nägel in die Buchdeckel, um den Kontakt des Umschlags mit dem splitterigen Tischbrett zu vermeiden. Die Nägel sind Teil der Ästhetik des Umschlags.

Die Basis für das Büro ist zweifach der Tisch. Zum einen ist seine Erfindung die Geburtsstunde des Büros, zum anderen hat das Büro als Raum und als Bezeichnung eine seltsame Transformation erfahren: Aus der Bezeichnung für den Stoff, die Burra, die auf dem Tisch liegt, wird im 18. Jahrhundert der Name für den Tisch – das Bureau –, und im 19. Jahrhundert wird der Raum, in dem das filzbedeckte Bureau steht, mit Büro bezeichnet. Eine Entwicklung vom Stoff über den Tisch zum Raum.

So wird das Tischtuch auf dem Tisch zu dem Ort, an dem Texte und Bücher entstehen und sich in der Weiterentwicklung des Tisches der Raum entwickelt, der zum Büro wird.


Die Buchproduktion erhöht sich, als im 13. Jahrhundert das Bürgertum an politischem Einfluss gewinnt. Der wachsende Handel erfordert mehr Organisation, Korrespondenz und Verwaltung und in neu errichteten Städten entstehen Dom- und Klosterschulen und Universitäten, die die Wissenschaft gleichberechtigt neben den christlichen Glauben stellen. Wissenschaftler, die bis dahin die Glaubensinhalte der heiligen Schriften begründen, entdecken nun die erfahrbare Welt und wenden sich dem Studium der Natur und der Moral, der Biologie und der sinnlichen Erfahrung des Menschen zu. Sie trennen Glaube und Philosophie und entwickeln Methoden und Wissen, die der Technik und der modernen Welt ein Jahrhundert später – der Epoche der Renaissance – zum Durchbruch verhelfen.

Aufgrund des gewachsenen Handels und der neuen Bildungseinrichtungen weiten sich Buchproduktion und Schriftverehr aus und bringen den Beruf des Schreibers hervor, durch den Buch und Tisch ein festes Paar bilden, das als Instrument des Lernens, Wissens und Organisierens eine große Wirkung auf die abendländische Kultur ausübt. Mit dem Berufsschreiber entsteht das Bedürfnis nach einem Raumtyp, der als Büro bezeichnet wird und womit das moderne Büro als Idee erfunden ist.

 

Der Beginn des modernen Büros


Mit der Renaissance sind viele schreib-, lese- und rechenkundigen Mönche in der Verwaltung der Höfe und bürgerlicher Unternehmen tätig, denn mit dem großen Interesse an der Schule und der Wissenschaft wächst neben den Kommentaren zu den heiligen Texten der Schriftverkehr enorm an, wodurch sich die neue Zeit ankündigte, die das Leben differenziert und ordnet und eine Kultur hervorbringt, in der das Verwalten, Korrespondieren und Archivieren stark zunimmt. So entsteht die Idee für das moderne Büro in der Renaissance, wird als feste Raumform aber erst im Industriezeitalter realisiert.

 




 

© Hajo Eickhoff 2008




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