Seit der Sesshaftwerdung unterwirft der Mensch vom Haus ausgehend das umgebende Gelände. Er fasst die eingenommenen Gebiete zu einem einzigen Gebiet zusammen und erobert weiteres Land hinzu, das er wieder eingliedert und wieder ausweitet. Bis eines Tages ein zusammenhängendes Gebilde mit einer solch dynamischen Infrastruktur entsteht, das sich nicht mehr auflöst. Das ist das Römische Reich. Von dort aus werden die fünf Kontinente noch einmal besiedelt und erobert, bis die gesamte Erde erschlossen, kartographiert, unterworfen – globalisiert – ist und die Menschen begreifen können, dass für alle nur ein Ort existiert, dem sie nicht ausweichen können.
Bis zur Sesshaftwerdung gab es kein Territorium, doch mit dem Territorium entstand Besitz und mit ihm das Besetzen der Erdoberfläche.
Das römische Reich hat das Raster von Hippodamos von Milet übernommen und perfektioniert. Wie die griechische Stadt ist Rom in private, öffentliche und geweihte Bezirke gegliedert. Der öffentliche Platz, das Forum, erfüllt dieselben Aufgaben wie die Agora. Um ihn herum liegen die Amtsgebäude wichtiger Behörden, auf ihm versammelt sich der Senat und wird in aller Öffentlichkeit Gericht gehalten. Forum und heilige Stätten sind großzügig angelegt, Wohnhäuser stehen eng beieinander. Nach dem Raster des Hippodamos werden seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert Städte angelegt. Als Rom zu klein wird, um zuströmende Einwohner aufzunehmen, entstehen in Ostia die ersten, insulae genannten Mietshäuser mit bis zu sieben Etagen. Sie erweitern die Stadt um ein wesentliches Element: die vertikale Wohnraumnutzung.
Zwischen der Stadt Rom (urbis) und dem Weltreich Rom (orbis) unterscheiden die Römer nicht. Wie die Stadt von einer Mauer, ist das Reich vom Mittelmeer oder einem Grenzwall, dem Limes, umgeben. Die Römer folgen dem Ideal, Straßen und Wasserwege über das gesamte Reich schachbrettartig auszudehnen und alle Winkel miteinander zu verbinden: Ägypten mit Gallien, die Stadt Rom mit Byzanz oder Sizilien mit Britannien. Das Raster hat das Reich überschaubar, den Warenaustausch reibungslos, den Waffentransport effizient und Nachrichtenübermittlungen schnell gemacht. Die Ordnung der Verkehrsführung basiert auf einer linearen Vorstellung des Raumes, die dem menschlichen Handeln eine materielle Form gibt. Auch das Denken der Römer entspricht dem Muster, das die von ihnen angelegten Städte Galliens, Germaniens und Britanniens kennzeichnet. Die Ausbreitung des Rasters und die Erfahrung seiner Effizienz hat die Möglichkeit zur Umschließung der Erde erhöht.
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aus
Hajo Eickhoff, Essenz der Zukunft. Vom Möglichkeitssinn, 2008
Netz, Globalität und moderne Unternehmen
Personen der Unternehmensführung sind Meister des Netzknüpfens. Sie knüpfen interne Netze, entwickeln kompetent kooperierende Teams und schaffen ein reibungsloses, zufriedenes Arbeiten. Ihre Überzeugungs-kraft gründet auf nachhaltigen und die Gemeinschaft stärkenden Ideen und Produkten, mit denen sie Mitarbeiter und Partner zu einem Ziel und einem Sinn führen. Das ist ihr Führungsvermögen. Sie haben Gespür und einen gut ausgebildeten Möglichkeitssinn. Neben dem für Unternehmen Notwendigen bringen sie neue Möglichkeiten ins Spiel und erzeugen dadurch eine neue Qualität unternehmerischer Tätigkeit. Deshalb arbeitet die globalisierte Unternehmensführung pluralistisch, indem sie für jeden Zweck die geeignete Organisationsform wählt. Sie knüpft kluge Netze, anstatt Bürokratie zu generieren.
Personen der Unternehmensführung erweisen sich auch nach außen als Meister des Knüpfens: Sie verknüpfen das interne Netz ihres Unternehmens mit dem Netz der Welt - mit der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Medien und der Wissenschaft. Immer befinden sie sich in Kontakt mit den maßgeblichen Institutionen und sind informiert über die aktuellen Standards von Produktion, Logistik und Nachhaltigkeit.
Der Mensch entwickelt sich zu einem Wesen, das sein Leben in die eigene Verantwortung nimmt. Er modifiziert alte Organisationsstrukturen und starre Verwaltungen, in denen Zentrum und Mittelpunkt eine entscheidende Rolle spielen. Dagegen entwickelt er bewegliche, offene und intelligente Netze, in denen die einstige Mitte auf viele Netzknotenpunkte verteilt wird. Es ist an der Zeit, mehr Klugheit zu wagen und den Gegebenheiten der Welt zu begegnen. Klugheit - als Vernunft plus Gefühl und als Verstand plus Moral.
Das globale Netz und die Globalität
Globalität ist der Zusammenschluss der Menschheit zu einer Weltgemeinschaft unter Wahrung ihrer lokalen und kulturellen Differenzen. Im 21. Jahrhundert lebt der Mensch in der Zeit der Globalisierung. Die Globalisierung ist aber nicht wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte alt, sondern der Mensch ist von Anbeginn an ein Wesen, das durch Freiheit und Möglichkeit eine Neigung zur Globalisierung in sich trägt. Er hat schon früh angefangen, das Netz zu knüpfen, das nun langsam die Erde, den Globus umschließt. Der Prozess der Globalisierung ist so alt wie der Mensch.
Globalität ist eine äußerste Entfaltung der Möglichkeiten des Menschen. Sie macht möglich, dass die Menschen die Erde gemeinsam und friedlich bevölkern.
Eine Beschleunigung erhält die Globalisierung durch die Erfindung des Hauses. War die erste Behausung des Menschen das All, schneidet er nun aus dem All einen Bezirk heraus und macht ihn zu seiner Welt. Er löst sich vom Ganzen des Seins und stellt das erste Mal eine weithin sichtbare Gestalt menschlicher Tätigkeit in die Natur – das Haus. Das Haus ist ein Zentrum der Macht. Es bietet Schutz und von ihm aus kann der Mensch hinausgehen und zurückkehren, weiter ausgreifen und in einem größeren Abstand weitere Häuser errichten und sie zu Ansiedlungen zusammenfassen. Der Mensch ist sesshaft geworden. Solange er sammelnd und jagend umherstreift, gibt es keine territoriale Macht, kein räumlich fixiertes Zentrum der Gemeinschaft.
Häuser erzeugen eine besondere Form der Existenz. Es ist der Wechsel vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht. Einer der grundlegenden Paradigmenwechsel der menschlichen Geschichte: vom Sammeln zum Bauen und vom Jagen zum Züchten. Mit der Einfassung, Bebauung und Markierung eines Stücks Erde entsteht der erste Besitz an Boden. Über das griechische Wort oikos ist Haus zum Begriff des Wirtschaftens geworden, denn es heißt Haus, Haushalt, Wirtschaft. Zugleich steht Haus für Schutz, Kulturpflege und Zusammengehörigkeit.
Jahrtausendelang hat der Mensch Häuser gebaut und Ansiedlungen wie Dörfer und Städte errichtet und sie zu großflächigen Strukturen verbunden. Solche Ansiedlungen und Großstrukturen haben sich immer wieder durch Kriege, durch wirtschaftliche und kulturelle Katastrophen aufgelöst, bis eines Tages eine irreversible Struktur blieb – das Römische Reich.
Als hätten sie ihren historischen Auftrag verstanden, festigten die Römer das Territorium und sicherten ihre Macht, indem sie das ganze Reich von Mesopotamien bis Spanien und von Nordafrika bis Britannien mit einem rechtwinkligen Straßennetz überzogen und eine bleibende Struktur schufen. Die Festigung dieser räumlichen Großstruktur ist nach dem Hausbau eine weitere Beschleunigung der Globalisierung. Vom Römischen Reich ausgehend haben nachfolgende Völker und Kulturen Netze unterschiedlicher Art um die gesamte Erde gelegt – Verkehrswege und Militärabkommen, Wissensverbreitung und Geldflüsse, Kulturaustausch und Techniktransfer, bis zur hochtechnisierten Welt des 21. Jahrhunderts mit ihrem World Wide Web.
Es ist der Mensch, der den Prozess der Globalisierung antreibt. Wie sollte es bei einem Möglichkeitswesen anders sein. Es hat Gedächtnis und Verstand, geschickte Hände und ein vermögendes Gehirn, er kommuniziert leidenschaftlich, hat Bewusstsein und erweitert unaufhörlich sein Wissen und seine Fertigkeiten, durch die er permanent Möglichkeiten verwirklicht, die als Technik gewaltige Wirkungen hervorrufen, die wiederum Veränderungen und Wirkungen nach sich ziehen. Wie könnte es da sein, dass sich die kleinen Gemeinschaften nicht zu immer größeren Einheiten zusammenschließen? Die Menschen waren schon immer neugierig auf das, was sich hinter dem Horizont verbarg und setzten sich dorthin in Bewegung. Dabei trafen sie mit anderen Kulturen zusammen und lernten voneinander. Sie tauschten sich kooperativ aus, führten aber auch gegeneinander Krieg. Heute lernen sie mehr denn je, dass sie zusammengehören.
Gegenwärtig sind die Menschen dabei, sich geistig und kulturell, räumlich und technisch, sozial und virtuell zusammenzuschließen. Sie haben alle Häuser miteinander verbunden – verkehrstechnisch per Flugzeug, Bahn und Automobil, virtuell per Telefon und Internet. War der Mensch einst leiblich mobil, aber wenig globalisiert, ist es heute umgekehrt: er ist leiblich wenig mobil, aber globalisiert. Deshalb kann er sich heute als Gattungswesen begreifen, da er die Möglichkeit hat, die gesamte Erde zu bewohnen. In dieser Allgemeinheit seiner Existenz wird er Erdenbürger, der mit allen anderen Menschen jederzeit in Kontakt zu treten vermag.
Schon vor zweieinhalb Jahrhunderten hat Immanuel Kant erkannt, dass im Menschen die Möglichkeit zum Weltbürger liegt. Mit seinem „Wage zu denken!“ („Sapere aude!“) hat er Mut gemacht, die Möglichkeit eines Weltbürgertums handelnd – denn das Wagnis liegt im Handeln – Wirklichkeit werden zu lassen. Unter den aktuellen Bedingungen der Globalisierung gibt es sichtbare Formen der Globalität bereits im Sport und im Tourismus, in den Wissenschaften und in den Künsten, in der Technik und in weltumspannenden Institutionen.
Die kommende Etappe der Entwicklung der Menschheit wird der Abschluss der Globalisierung sein – die Globalität. Aus der enormen Ausweitung der Kommunikation folgt eine Verantwortung, die der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen angemessen ist – dabei setzt sich der Mensch zu einer Weltgemeinschaft in Beziehung, zu einer Weltwirtschaft, zu einer Weltpolitik sowie zu einer Partnerschaft von Mensch und Natur.
Globalität
Globalität ist Zukunft. Auf sie steuert die Menschheit zu. Sie ist möglich. Aber sie tritt nicht zwangsläufig ein, sondern wird dann Wirklichkeit, wenn genug Menschen mit moralischem, politischem und wirtschaftlichem Einfluss sich für sie engagieren.
Überall auf der Erde arbeiten Menschen in unterschiedlichen Berufen und Lebensbereichen an der Zukunft, der Globalität. Noch nie war das Engagement für Umweltschutz und Frieden, für Fairness in der Wirtschaft und Nachhaltigkeit in der Produktion, für gesunde Ernährung und Schutz der Menschenwürde weltweit so verbreitet.
In Unternehmen, Organisationen und Netzwerken werden bereits gemeinschaftsverträgliche Formen von Konkurrenz und Kooperation zum Zweck einer Erhöhung des Weltgemeinwohls praktiziert – in Organisationen wie Fundaec, Amnesty International und Club of Budapest, von Personen wie Muhammad Yunus, Ashok Khosla und Rodrigo Baggio, in Netzwerken wie TED, Wikipedia und Utopia, in werthaltigen Verbrauchernetzwerken wie Lohas und Slow Food und in Sozialunternehmen wie Riders for Health, Aravind Eye Hospital und Marine Stewardship Council. Sie alle sind als Träger neuer Paradigmen Arbeiter an der Zukunft, und durch sie scheint der Satz von Friedrich Hölderlin zuzutreffen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Allerdings ist das Rettende der Mensch selbst, der mit Engagement, Klugheit und intelligenter Vernetzung eine Antwort auf die Gefahr gibt.
Globalität ist Zukunft, wird hier aber so beschrieben, als gäbe es sie bereits und ihre Merkmale wären nur noch aufzuzählen. Sie ruht auf drei wesentlichen Fundamenten, die historisch gerade erst sichtbar werden: Die Menschheit ist nicht teilbar; davon handeln schon die Menschenrechte. Der Mensch ist nicht teilbar; er ist Mensch – auch als Handwerker, Konsument, Unternehmer, Nachbar, Politiker, Frau und Mann – mit all seinen vielschichtigen Dimensionen. Daraus folgt, dass auch Moral nicht teilbar ist. Denn die Logik der Globalität und die auf sie bezogene Verantwortung gibt die Schritte vor, nach der sich die einzelnen Regionen der Erde etablieren und entwickeln, wie umgekehrt die Logik der lokalen Regionen und die ihr angemessene Verantwortung die Wege vorgibt, nach denen sich die Menschheit weiterentwickelt.
Mit der Etablierung der Globalität werden neue Möglichkeiten entstehen, aber auch neue Probleme. Unkalkulierbar und noch nicht absehbar. Deshalb ist die hier vorgestellte Epoche eine mögliche Struktur der Zukunft, eine Utopie. Allerdings hat sie bereits reale Akteure und Vorbilder – Menschen, die in Unternehmen, Organisationen und in der Politik handelnd Merkmale der Globalität verkörpern.
Globalität ist nicht das Ende der Geschichte. Sondern eine Epoche, die eine lange Phase des Werdens abschließt. Globalität ist auch kein Paradies. Paradiese haben sich bisher als verhängnisvolle Weltentwürfe erwiesen. Umgekehrt ist nicht zu vergessen, dass es Schwierigkeiten sind, die den Menschen zu Höchstleistungen anspornen.
Unternehmen der Globalität
Globalisierte Unternehmen sind möglich. Das sind sozial engagierte Unternehmen und Sozialunternehmen, seien sie Wirtschaftsunternehmen, Organisationen, Institutionen oder Regierungen.
Soziale Unternehmen stellen ins Zentrum ihres Wirtschaftens den Menschen, den Naturschutz und die Zukunft. Sie setzen sich für ihre Mitarbeiter ein, verhalten sich auf dem Markt fair, erzeugen sinnvolle Produkte mit nachhaltiger Qualität – die Maximierung des Gewinns ist nicht ihre Absicht.
Eine besondere Gruppe von Unternehmen sind Sozialunternehmen (Social Entrepreneurship), die sich mit wirtschaftlichem Engagement innovativ, pragmatisch und langfristig für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Sie sehen es als ihre Aufgabe an, gesellschaftliche Defizite zu erkennen und unternehmerisch zu ihrer Überwindung beizutragen.
Mit ihren sinnstiftenden Erzeugnissen und zukunftsorientierten Diensten wirken beide Unternehmensformen auf die Welt und ihre Ordnung und entwickeln sich zu vermögenden Unternehmen, indem sie soziales, ökonomisches, ästhetisches, ökologisches und ethisches Vermögen erwirtschaften. Ihre Merkmale sind Transparenz und Effizienz, Fairness, Nachhaltigkeit und globale Verantwortung. Wie die lateinischen Wörter possidere (besitzen) und possibile (möglich) verraten, ist Möglichkeit auch mit Besitz verbunden – als Vermögen, das geistiges und körperliches Können und materielle Wohlhabenheit umschließt.
Unternehmen der Globalität sind netzknüpfende Unternehmen. Sie bearbeiten viele Arten von Netzen, die sie zu Netzwerken zusammenbinden. Aber welche Netze es auch sind – ihre Netze sind Sinn-Netze. Es handelt sich um bewegliche, leistungsfähige Unternehmen, die Stützen einer Gemeinschaft der Globalität sind.
Politik und Globalität
Globalisierte Politik ist möglich. Die Politik hat ihren verlorenen Einfluss zurückerobert und ist Teil der globalisierten Weltgemeinschaft. Politiker sind Manager einer lokalen Region und zugleich mit der Weltgemeinschaft verbunden. Politik leitet sich von der griechischen Stadt, der Polis ab und bedeutet die Beschäftigung der Menschen mit ihren städtischen Angelegenheiten. Unter den Bedingungen der Globalität wird die Erde zur globalen Stadt und die Beschäftigung mit ihren Belangen ist die globale Politik.
Politiker wissen, dass Wirtschaften nicht allein eine ökonomische, sondern ursprünglich eine umfassende Tätigkeit des Menschen bedeutet, und dass das Marktwesen in kultureller Aktivität besteht – in Versammlungen, im Tausch, in der Kommunikation und in religiösen Festlichkeiten. Deshalb ist das Erkennen der eigenen Möglichkeiten – dass der Mensch herausfindet, was er am besten kann und was ihm Freude macht – in der Epoche der Globalität eine wesentliche politische Tätigkeit. Sie gibt dem Weltgemeinwohl durch individuelle Freude, Motivation und Effizienz einen großen Nutzen und eine Richtung.
Die Richtung folgt der Diskrepanz zwischen Möglichkeit und Unmöglichkeit: Eine enorme Weltbevölkerung, die ständig wächst, muss sich eine begrenzte Fläche der Erde und ihre Ressourcen teilen. Das Bevölkerungswachstum fordert eine Politik und Ethik der Reduktion, der Genügsamkeit und der Gerechtigkeit. Das ist, wie fast alle Ethik, eine Ethik der Askese – des leiblichen und geistigen Übens. Gerechtigkeit bedeutet, die Menschheit auf ein gemeinsames Niveau zu heben.
Dem entspricht der Global Marshall Plan – benannt nach George C. Marshall, der nach dem Zweiten Weltkrieg ein Aufbauprogramm für Europa (Marshall Plan) einrichtete –, den im Jahr 1997 der US-amerikanischen Politiker Al Gore vorschlug. Der Plan sieht vor, weltweit eine ökosoziale Markwirtschaft zu etablieren, um auf die prekäre Weltlage zu antworten. Alle Akteure einer werdenden Weltgemeinschaft sollen sich in dem Programm wiederfinden. Der Plan offenbart ein gereiftes Bewusstsein für die Probleme der gegenwärtigen Welt. Die Idee des Plans stärkt eine gute Regierungsführung – good governance – und kann neben der Politik auch für das Führen von Unternehmen, Organisationen und Institutionen vorbildlich sein.
Führung und Globalität
Globalisierte Unternehmensführung ist möglich. Sie dient der Gemeinschaft wie einst der archaische König, der in thronender Haltung der erste war, der in sich hineinhorchte, um seine Möglichkeiten kennenzulernen und sie in der strengen Übung des Thronens zu pflegen, zu entwickeln und der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Darin lag sein Dienst der Gemeinschaft gegenüber. Da ihm verboten war, sich zu bewegen, lagen seine Möglichkeiten in der Entwicklung spiritueller Vermögen. In seiner Askese und Vergeistigung war der König das erste geistige Zentrum einer Gemeinschaft – das Bild für Führerschaft, Verantwortung und Erhabenheit.
Personen der Unternehmensführung sind Meister des Netzknüpfens. Sie knüpfen interne Netze, entwickeln kompetent kooperierende Teams und schaffen ein reibungsloses, zufriedenes Arbeiten. Ihre Überzeugungskraft gründet auf nachhaltigen und die Gemeinschaft stärkenden Ideen und Produkten, mit denen sie Mitarbeiter und Partner zu einem Ziel und einem Sinn führen. Das ist ihr Führungsvermögen. Sie haben Gespür und einen gut ausgebildeten Möglichkeitssinn. Neben dem für Unternehmen Notwendigen bringen sie neue Möglichkeiten ins Spiel und erzeugen dadurch eine neue Qualität unternehmerischer Tätigkeit. Deshalb arbeitet die globalisierte Unternehmensführung pluralistisch, indem sie für jeden Zweck die geeignete Organisationsform wählt. Sie knüpft kluge Netze, anstatt Bürokratie zu generieren.
Personen der Unternehmensführung erweisen sich auch nach außen als Meister des Knüpfens: Sie verknüpfen das interne Netz ihres Unternehmens mit dem Netz der Welt – mit der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Medien und der Wissenschaft. Immer befinden sie sich in Kontakt mit den maßgeblichen Institutionen und sind informiert über die aktuellen Standards von Produktion, Logistik und Nachhaltigkeit.
Ob neue Ideen in der Wissenschaft praktiziert oder ob Epidemien bekämpft werden, ob Klimaschutz betrieben, nachhaltig produziert, ökologisch angebaut oder der gute Umgang mit Menschen gepflegt wird – immer geht es um den Anschluss eines Unternehmens an die Welt, der den unternehmerischen Nutzen mit dem persönlichen Nutzen (Mitarbeiter) und dem allgemeinen Nutzen (Weltgemeinschaft) verbindet, das mag der Erhalt der Natur, der ökonomische Gewinn oder die Freude motivierter Mitarbeiter sein. Unter der Idee des Arbeitens für die Weltgemeinschaft wird das Handeln von seinen egoistischen Hemmungen befreit und führt die Menschen zu Klugheit und Verantwortung – zur Meisterschaft der Führungsverantwortung.
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