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aus: Markus Dederich/ Jörg Zirfas (Hrsg.), Mängelwesen Mensch, Gesellschaft für Historische Anthropologie, Paragrana, Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie, Band 29, 2020, Heft. 2.






Sehnsucht der Materie

Das allgemeine Tier

 

 

Abstract

Was sich auf der Erde ereignet, ist im Weltall angelegt. Als Potenz, die sich aus Bewegungen und Umformungen, Ausdehnungen und Verdichtungen gestaltet. Auch das Tun und Denken, das Erkennen und Fühlen des Menschen liegen im Grund des Alls. Die Evolution hat den Menschen hervorgebracht, ihm aber auch einen Spielraum gegeben – die Freiheit. Das All schafft unablässig neue Konstellationen, ist aber gegen jeden Wandel gleichgültig. Der Mensch ist nicht gleichgültig, aber in seiner Wahrnehmung und Bewertung, Mensch und Dasein seien mangelhaft, schafft auch er unablässig neue Zustände und Gegebenheiten.

 

1. Sehnsucht als Prinzip des Seins

 

Das Universum scheint von Mangel erfüllt. Alles scheint unzufrieden mit dem, was ist Das Universum scheint von Mangel erfüllt. Alles scheint unzufrieden mit dem, was ist und drängt nach Veränderung. Wie unaufhörliche Suchbewegungen. Alles ändert sich. Immer und überall. Keine Ruhe, kein Stillstand, kein eingenommener Ort geeignet. Es ist ein Streben und Drängen. Ein Sehnen nach Beständigkeit. Doch Sein ist haltlos. Ist Hervorbringen, Umgestalten, Einreißen, neu Errichten. Ist Ruhelosigkeit und immerwährendes Prozessieren. Diese Art des Sehnens wird als Mangel gedeutet, durch den sich das Universum als Ganzes und in seinen Bestandteilen unablässig umgestaltet.

 Die Prozesse verlaufen geordnet. Sie folgen Regeln. Den Gesetzen der Kausalität. Nebel kreisen, Sonnen entstehen, glühen Milliarden von Jahren und zerbersten, das Sonnensystem ist erfüllt von Bewegung, die Erde entsteht, kühlt ab, schrumpft und lässt Leben entstehen, das unzählige Tier- und Pflanzenarten hervorbringt und den Menschen, der Gemeinschaften gründet, entwickelt und in Krisenzeiten genötigt wird, die Verhältnisse zu bedenken und eine neue Ordnung zu schaffen. Wenn aber aller Mangel ein Bewegungsprinzip des Seins ist, erweist sich die Geschichte des Universums als eine Geschichte unendlichen Fortschreitens aus Mangel.

  Erde ist den Menschen die unmittelbare Natur, die leb- und leiblos, geist- und bewusstlos als heißer Stein beginnt. Eine gewaltige Ansammlung von Atomen und Molekülen. Aller Sinn, der später Menschen bewegen wird, ist bereits in diesem Stein potenziell angelegt. Wie Reflexion, Kommunikation, Bewusstheit und Gefühl.

 Die Atome und Moleküle tauschen sich aus, entfalten sich und streben nach Lebendigkeit und Bewusstheit. Es ist in der Natur der Natur angelegt, dass sie Werkzeuge und Techniken erfindet, entwickelt und immer wieder verbessert. Denn die Teilchen verfügen über außergewöhnliche Kräfte und Techniken, sich so zu einzigartigen Gebilden zusammenzuschließen, dass nach und nach Formen des Lebendigen wie Bakterien, Pflanzen und Tiere entstehen, also Leben, das Reizbarkeit, Stoffwechsel, Organisiertheit, Reproduktion und Wachstum bedeutet. Nach dieser Erfindung entwickeln sich Dinge plötzlich eigenständig – befreit von den Gesetzen der Physik und der Chemie –, denn in der Materie steckt eine Art kosmischer Sehnsucht nach Leben. Auch den Lebewesen ist von Anbeginn an eine Art Unzufriedenheit mitgegeben, ein Potenzial nach Veränderung. Die Gesetze des leiblichen Lebens und der Psyche beginnen hier zu wirken und beeinflussen durch Trieb und Motivation den Weltenlauf. So scheint der Sinn des Weltalls im Streben und Sehnen selbst zu liegen.

 

2. Sehnsucht und Mangel

 

Eine Spannung zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, ein Gefälle von Zuviel und Zuwenig oder eine unbestimmte Verlockung bedeuten Sehnsucht. Ein Streben, Treiben und Sehnen, bei denen immer eine besondere Weise des Unfertigen und der Leere – des Mangels – mit im Spiel ist. Das Sehnen des Universums offenbart sich in den Phänomenen seiner unablässigen Veränderungen, die wie ein autopoietisches Streben sind, durch das das Universum sich fortwährend selbst umgestaltet.

 Das Streben des Menschen ist auf Glück, Wohlbefinden und Anerkennung in der Gemeinschaft ausgerichtet. Dem Menschen kann Sehnsucht auch ein schmerzhaftes Verlangen nach etwas sein, das er nicht besitzt. Von der Sehnsucht des Menschen erzählt Platon im Dialog Das Gastmahl. Er lässt den Dichter Aristophanes den Mythos von den Kugelwesen erzählen. Ihr Rumpf ist kugelförmig, sie haben vier Hände und vier Beine, einen Kopf und zwei Gesichter und die beiden Geschlechter sind unterschiedlich kombiniert. Als sie versuchen, den Himmel zu erobern und die Götter anzugreifen, teilt Zeus sie in zwei Hälften und erzeugt den Menschen, der nun unter dem Verlust seiner abgetrennten Hälfte leidet (vgl. Platon S. 31). Sehnsucht ist diese Suche nach Ganzheit. Es ist das erotische Streben, das für Platon sowohl ein Streben nach Liebe als auch nach Erkenntnis ist.

 Im Profanen können Mängel Krankheit, Hunger, Fehler, sowie Abwesenheit und Enge sein. Sie ergeben sich aus dem Vergleich einer Soll-Vorstellung mit einer Ist-Beschaffenheit: aus einer Qualitätsprüfung. Negative Abweichungen bedeuten mit Mängeln versehen: das Fehlen oder die Abweichung. Das Fehlen von Vitaminen erzeugt Mängelerkrankungen und das von Nahrung Hunger, Raumenge ruft Panik hervor, der Mangel an geeigneter Kleidung führt zu Erfrierungen und das dauernde Ausbleiben von Zuwendung erzeugt Unsicherheit. Die negative Grenze des Mangels ist das Nichts, die Abwesenheit von allem, die positive Grenze ist Fülle, Vollkommenheit, Perfektion. Das Vollkommene ruht ganz in sich. Da reale Objekte sich beständig verändern, kann ihnen keine Vollkommenheit zukommen, erweisen sie sich nur als gedachte, abstrakte, sprachliche Phänomene.

 

3. Höherentwicklung durch die Mängel beseitigende Evolution

 

Im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Lebewesen nimmt das Maß an Organisiertheit zu. Durch Differenzierung und Zentralisierung von Zellen, Geweben und Organen, die eine Leistungssteigerung und eine größere Freiheit von der Umwelt nach sich ziehen. Die Organe werden komplexer, zentraler und werden ins Innere verlagert; die Entwicklungsreihe der Atmungsorgane von den Kriechtieren zu den Säugetieren zeigt eine Zunahme der für den Gasaustausch der Lungen verfügbaren Fläche; bei den Wirbeltieren entwickelt sich das System der Blutgefäße zu einem geschlossenen Blutkreislauf; einfache Nervensysteme wie das der Schwämme sind netzartig, das der Wirbeltiere ist zentralisiert und unterteilt in Kortex, limbisches System und Rückenmark. Eine Spezialität in der Evolution der Wirbeltiere ist die Entwicklung des Rumpfes: Sie verläuft von der Horizontalen des Fisches über Amphibien, Reptilien und Säugetieren hin zur Vertikalen des aufrechtstehenden Menschen.

 Mit diesem Gehirn ausgestattet hat der Mensch ein differenziertes Bewusstsein ausgebildet. Er hat Verstand, Gefühl und die Fähigkeit zur Selbstreflexion, indem er sich selbst zum Gegenstand seines Denkens, Fühlens und Handelns machen kann. So ausgestattet greift er bewusst in seine Umwelt ein, um empfundene Mängel zu beseitigen.

 Aristoteles betrachtet die Natur, den Kosmos und den Menschen im Allgemeinen sowie im Hinblick auf sein Handeln, Fühlen und Denken. Das Sein enthalte Möglichkeiten, die auf seine Realisierung drängen, um das zu entwickeln, was in ihm als Potenzial steckt. Aristoteles Denken umfasst den materiellen und geistigen Kosmos. Das Christentum baut Himmel und Kosmos mit den konkreten Erscheinungen ab und etabliert ein abstraktes, ideelles Reich. Es kann das Reich Gottes oder das Paradies sein, oder der Ort für das Weiterleben nach dem Tod. Die Perspektive von Immanuel Kant ist die Konzentration auf die vernünftigen Elemente, indem er den Menschen zum Schöpfer seiner selbst macht und seine Verbesserung zu einer Verpflichtung des vernünftigen Wesens Mensch. „Die Natur hat gewollt: daß der Mensch alles… gänzlich aus sich selbst herausbringe und keiner anderen Glückseligkeit oder Vollkommenheit theilhaftig werde, als die er sich selbst frei von Instinct, durch eigene Vernunft, verschafft hat“ (S. 7). Für Charles Darwin hat die Biologie die Kultur hervorgebracht zum Zweck des Überlebens des Menschen, die zu Verbesserungen allen Seins führt: „So geht aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod unmittelbar die Lösung des höchsten Problems hervor, das wir zu fassen vermögen: die Erzeugung immer höherer und vollkommenerer Tiere“ (S. 691). Martin Heidegger nimmt die Technik hinein in den Menschen, die nicht mehr nur Mittel zum Zweck ist, sondern „eine Weise des Entbergens“ (S. 12) und daher eine Form der Wahrheit dessen, was ist. Heute arbeiten Denker und Forscher an dem heiklen Punkt, den Menschen durch die Anwendung unterschiedlicher Technologien, die ihn seiner Mängel berauben, zu überschreiten.

 Aristoteles legt den Antrieb für die im Kosmos ablaufenden Veränderungen in die Verbindung von Stoff und Geist, das Christentum nimmt den Sündenfall als Triebfeder, Kant sieht im selbst auferlegten Impuls zur Verbesserung eine Pflicht, die bei Darwin zum automatischen Mechanismus wird, Heidegger legt die Initiative in organische Werkzeuge, während Forscher die Werkzeuge der modernen Technologien befähigen, zum Motor von Veränderungen zu werden und den Menschen in seiner Freiheit und Humanität umzuwandeln und möglicherweise zu beschädigen.

 

4. Richtungen des Menschen – liegen, hocken, aufrichten, sitzen, abheben

 

Im Tierreich hat der Mensch Differenzierung und Zentralisierung am weitesten entwickelt. Dazu hat er einige Besonderheiten wie das aufrechte Stehen und Gehen ausgebildet. Seine Füße sind die räumliche Basis seiner Existenz. Aufrecht auf den Füßen streckt er wie kein anderes Lebewesen den Kopf – sehnsüchtig – der Sonne entgegen. Denn das Besondere an seiner Aufrichtung ist, dass nur er mit durchgedrückter Hüfte und durchgedrückten Knien zu stehen vermag. So ist er von seiner aufrechten Struktur her der Sonne am nächsten. Diese Art der äußeren Aufrichtung entspricht einer inneren Form, die in den Eigenschaften aufrecht und aufrichtig – als Haltung und Moral – zum Ausdruck kommt.

 In der ontogenetischen Entwicklung durchläuft der Mensch alle Haltungen der Wirbeltiere: vom Liegen über das Kauern und Hocken zum Stehen. Erst darauf baut sich eine weitere, sehr spezialisierte Haltung auf: das Sitzen. Dazu erfindet er ein einzigartiges Objekt, das gravierend in den Verbesserungsprozess eingreift: den Stuhl. Das Sitzen auf ihm treibt den Aufrichtungsvorgang des Rumpfes weiter und vollendet ihn. Es ist zugleich der Abschluss der Sesshaftwerdung. Im Prozess der Aufrichtung der Wirbeltiere vom Fisch zum Menschen drehen sich der Rumpf um 90 und das Becken mit Kreuzbein um 45 Grad nach rückwärts. Setzt sich dann der Mensch auf einen Stuhl, drehen sich Becken und Kreuzbein um weitere 45 Grad und kommen in der Vertikalen zur Ruhe, so dass infolge des Sitzens die Evolution sowohl den Rumpf als auch das Becken um 90 Grad gedreht hat und in der vertikalen Position endet, weshalb sich das Sitzen auf Stühlen von seinem inneren Mechanismus her als Fortsetzung der Aufrichtung erweist (vgl. Eickhoff S. 132). Die Verbesserung des Menschen infolge des Sitzens ist die Fähigkeit, sich nach innen zu orientieren und den Geist zu schärfen, die aber begleitet wird von unzähligen Mängeln durch nachteilige Eingriffe von Stuhl und Sitzen in den Leib.

 Weitere Mechanismen der Menschenverbesserung ergeben sich durch das Abheben der Füße vom Erdboden. Im Fliegen von der Erde hinauf und hinein in den planetarischen Raum, wodurch der Mensch seine Umwelt umgestaltet und erweitert. Danach kommt eine langgehegte Sehnsucht: das Abheben mit Hilfe Künstlicher Intelligenz und Robotern ins Universum. So scheint der Sinn aller Veränderungen die Ausbildung eines Kohlenwasserstoff-Leibes und eines humanen Gehirns und ihre Metamorphose in einen Silizium-Körper und einer digitalen Superintelligenz zu sein, um die Künstliche Intelligenz im All zu verankern.

 

5. Die Sprache – Ankommen am Ort der Sehnsucht

 

Die Sprache ist ein Attribut von Fuß und Aufrichtung. Das Sprechen wird erst durch das Absinken des Kehlkopfes infolge der Aufrichtung möglich, denn erst der vergrößerte Hohlraum erlaubt das Artikulieren differenzierter Laute. Sprache ist Kommunikationsmittel und Kulturspeicher, fixiert aber auch das Denken und fördert Atem und Aufrichtung. In dieser Form erweist sich der Mensch als das allgemeine Tier, das leiblich und geistig fähig und bereit ist, überall auf der Erde, unter unterschiedlichsten Bedingungen zu leben.

 Im Sprechen und Schreiben haben die Menschen Techniken entwickelt und Bewusstseinsinhalte konservierbar gemacht. Im Menschen hat sich das Weltall ein Geist und Technik produzierendes Werkzeug geschaffen. Und mit dem Vermögen der Selbstreflexion verwandelt der Mensch unablässig Natur in künstliche Produkte und sich selbst in immer feinere Formen der Kultur.

 Veränderungen vollziehen sich entlang von Naturgesetzen und von Kulturvorschriften, den Kausalitäten des methodischen Weltprozesses. Um diesem Wandel eine gedankliche, psychische und emotionale Stabilität zu geben, werden spirituelle Instanzen wie Götter, Schamanen und Wissende geschaffen, denen das Vermögen zugesprochen wird, dem ständigen Werden Regelmäßigkeit, Ordnung und Halt zu geben.

 So zeigt sich, dass das Weltall von Anbeginn an eine Sehnsucht nach Sprache und Kultur, nach Geist und Bewusstheit hat. Und nun offenbart sich ein noch viel kühneres Vermögen: Das Universum hält an. Es ist die Sprache, die diese Möglichkeit bietet. Abläufe zu fixieren. Mit der Sprache schreibt der Mensch die Prozesse des Lebens auf die Wände des Universums. Mythen, Religionen und Philosophien bieten hiervon Beispiele. Es ist die zweite Neigung des Universums: die Sehnsucht nach Ruhe. Einmal den unaufhörlichen, pausenlosen Wandel der Gestaltungen anzuhalten, damit der Mensch es in Geschichten erdenken, aufschreiben und dem All vorlesen kann.

 

6. Die konservative Rolle der Bedürfnisse

 

Der Mensch ist bedürftig. Das hält ihn in Bewegung und setzt die Sehnsucht des Kosmos fort, wodurch auch er dem Trieb nach Veränderung unterworfen ist. „Seit Aristoteles und Augustinus und wieder bei Nietzsches Zarathustra gehört die Selbstüberwindung zur kulturellen Genetik des Westens“ und aus „der uralten Figur des Mängelwesens Mensch geht schließlich jener technische Furor hervor, wie er derzeit in humantechnologischen Szenarien seinen Ausdruck findet“ (Demuth S. 120). Der Mensch scheint ein Fragment zu sein, kein Ganzes, Fertiges, Vollkommenes. Nietzsche sieht im Übermenschen sogar den Sinn der Erde (vgl. S. 6).

 Bedürftig ist der Mensch dreifach: als Person, als Gesellschaftswesen und als Exemplar seiner Spezies. Daraus ergeben sich Forderungen nach der Verbesserung von Werkzeug und Technik und von Mensch und Natur. Die Sehnsucht scheint im Entwickeln neuer Bedürfnisse und im Erschaffen des Übermenschen zu liegen.

 Schopenhauer zufolge sind es nicht die Bedürfnisse des Menschen, sondern die eines kosmischen Willens, der den Kosmos ziel- und endlos in Bewegung hält. Alles, was ist, ist die Objektivierung dieses Willens. Ob die Natur und ihre unterschiedlichen Erscheinungen, ob der Mensch mit seinem Verstand, seinen Gesten oder seinen Bedürfnissen – immer sind sie Ausdruck dieses Willens. Er ist es, der die Bedürfnisse erzeugt und er ist es, der die Bedürfnisse befriedigt.

 Nach Abraham Maslow sind Hunger, Schlaf, Sexualität und Wohnen Grundbedürfnisse des Menschen. Darauf bauen Bedürfnisse nach Sicherheit und Sozialität auf, dann erst die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung. In Zeiten der Digitalisierung liegt die äußerste Form der Selbstverwirklichung in der Überwindung des Todes. Den Kampf gegen den Tod haben Google-Gründer Sergey Brin, Amazon-Gründer Jeff Bezos, Oracle-Gründer Larry Ellison, der Gründer von Kurzweil Music Systems Ray Kurzweil und andere aufgenommen, indem sie viele hundert Millionen Dollar in sein Erforschen stecken. Für diese Gründerpersönlichkeiten macht der Tod keinen Sinn (vgl. Specht S. 319f). Bedürfnisse des Menschen sind relativ, weil Bedürfnisse konservativ sind. „Ein Bedürfnis, das vor Tausenden von Generationen ausgebildet wurde, wird subjektiv weiterhin empfunden, auch wenn es in der Gegenwart fürs Überleben und für die Reproduktion nicht mehr vonnöten ist“ (Harari S. 132). Unablässig werden neue Bedürfnisse kreiert. Günther Anders dachte noch, es müsse Unternehmer verdrießen, weil es einen „Mangel an Mangel“ (Anders, S. 326) gäbe, da die Bedürfnisse der Konsumenten begrenzt seien.

 

7. Mangel als Prinzip der Verbesserung

 

Die Natur hat eine Fehler-Produziermaschine in ihr Reproduktionssystem eingebaut: die Mutation. Bei der Replikation des Erbmaterials können Fehler auftreten, Mängel entstehen, die allerdings direkt durch eine Fehlerbehebungs-Funktion eliminiert werden können. Mutation ist eine dauerhafte Veränderung des Erbgutes einer Zelle. Bei mehrzelligen Lebewesen werden nur Keimbahn-Mutationen an die Nachkommen weitergegeben. Mutationen treten spontan oder verursacht durch äußere Einflüsse auf. Sie erhöhen die Vielfalt, die eine Spezies verändert und verbessert. So entstehen durch Replikationsmängel Beschädigungen und Defizite einzelner Exemplare zum Vorteil einer Spezies.

 Arten passen sich der Umwelt an. Doch wenn sich die Umwelt ändert, wirkt sie zurück auf die angepassten Arten und fordert eine Korrektur der Anpassung. Der Mensch hat mit der Zivilisierung seine Umwelt stark verändert. Nun muss er sich der Umwelt, der er sich angepasst hatte, erneut anpassen. Steinzeitliche Menschen benötigten für ihre Speisen starke Kiefer, die sich jedoch durch den Verzehr gekochter, weicher Speisen infolge von Viehzucht und Ackerbau verkleinert haben, so dass die Zähne heute nicht mehr einwandfrei auf den Kiefer passen. Das Jagen erforderte starke Muskeln und robuste Knochen, die infolge der Zivilisierung um 15 Prozent geschrumpft sind. Aufgrund der urbanen Lebensweise bewegen sich die Menschen weniger, ernähren sich nicht angemessen und werden übergewichtig, was vermehrt zu Autoimmunerkrankungen und Allergien führt. Giftige Speisen müssen nicht mehr geprüft werden, weshalb sich die Sensoren für bitteren Geschmack zurückbilden. So trägt auch der Mensch, indem er die Umwelt verändert, dazu bei, dass der Mangel in der Welt bleibt, da er sich nun erneut anpassen muss. So erweisen sich Fehler und Mängel als ein allgemeines Prinzip der Verbesserung und der permanenten Umgestaltung.

 

8. Weltbilder des Mangels und seine Überwindung

 

In die Vorstellungen davon, wie die Welt geordnet ist und funktioniert, sind Wertungen eingebunden, die der Welt Mängel attestieren. Johann Gottfried Herder und Arnold Gehlen haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Mensch ein Mängelwesen ist. Er werde nicht durch Instinkte gesteuert, habe keine spezifische Umwelt und sei daher gezwungen, sich die ihm angemessene Umwelt selbst zu gestalten. Nach Konrad Lorenz allerdings leiten den Menschen mehr Instinkte als jedes Tier (S. 14). Herder erkennt den nie endenden Prozess des menschlichen Fortschreitens: „Was wir wissen, wissen wir durch andere. Was wir gebrauchen und zu brauchen selbst lernen müssen, haben andere erfunden, das ganze menschliche Geschlecht ist gewissermaßen eine durch alle Jahrhunderte fortgesetzte Schule“ (Suphan S. 484), denn jeder soll mehr zurücklassen, als er empfangen hat.

 Herder und Gehlen stufen die Instinkte, die das Tier steuern, sehr hoch ein. Doch ist diese Gebundenheit nicht der größere Mangel als die relative Freiheit des Menschen? Das Tier lebt instinktorientiert und kennt keine Mängel, dagegen genießt der Mensch den Vorteil, ein kleines Stück von Instinkten befreit zu sein.

 Die Weltbilder des Buddhismus und des Christentums, die Vorstellungswelten von Protagoras, Johann Gottfried Herder und Arthur Schopenhauer, von Philipp Mainländer, Arnold Gehlen und Emil Cioran beschreiben die Welt und den Menschen als grundsätzlich mit Mängeln behaftet. Sie geben der Welt negative, pessimistische Züge, schlagen aber unterschiedliche Wege vor, wie der Mensch mit ihnen umgehen könnte.

 Persönliche Verbesserungen des leidvollen, mängelbehafteten Lebens schlagen Buddhisten, Schopenhauer, Mainländer und Cioran vor. Dem Buddhisten sind die wirklichen Begleiter des Menschen Alter, Krankheit und Tod. Deshalb bedeutet Leben Leiden und Mangel. Das Leiden kann nur aufgehoben werden, indem der einzelne das Mangelhafte aus sich herausarbeitet. In Meditationen schafft er in sich eine Leere, bis zum Nirvana, in dem sich das Sein im Nichts verliert und das Leid getilgt wird.

Die Welt ist nach Schopenhauer schlecht und böse und wäre besser nicht. Indem der kosmische Wille die Phänomene des Alls und des Lebens hervorbringt, erzeugt er das Leiden an der Welt. Um dem Leid zu entgehen, hat Schopenhauer einen individuellen Weg entwickelt, der an den buddhistischen Weg erinnert, sich aber auch Immanuel Kant verdankt. Da sich der Wille nur in Raum, Zeit und Kausalität ausdrücken kann, gewinnt der Mensch die Möglichkeit, sich dem unablässigen Wollen zu entziehen und Ruhe zu finden, indem er sich Raum, Zeit und der Kausalität entzieht, etwa in der Betrachtung eines Kunstwerkes oder in der Askese (S. 374, 489). Die Philosophie von Mainländer ist eine strengere Form des Pessimismus. In seinem Werk Philosophie der Erlösung schreibt er, dass dem menschlichen Dasein kein Wert innewohnt, und die Grundbewegung des Seins der Zerfall ist: „Zerfall in die Vielheit“ (S. 347), eine Art Zunahme kosmischer Mängel. Seine ganz persönliche Lösung aus den Mängeln und dem Leiden an der Welt ist die Selbsttötung, die er mit 35 Jahren vollzieht. Eine Welt des reinen Mangels schwebt Cioran vor. In Auf den Gipfel der Verzweiflung schreibt er: Ich „würde eine Welt lieben, in der es gar kein Kriterium gäbe, keine Form und keinerlei Prinzip, eine Welt der absoluten Unbestimmtheit“ (S. 86).

 Auch die optimistisch entworfene Welt von Gottfried Wilhelm Leibniz kommt nicht ohne den Mangel aus. Obwohl die beste aller möglichen Welten weist seine Welt drei Arten von Mängeln auf: natürliche Mängel durch die Konstitution des Menschen, moralische Mängel als Folge seiner Schuld und metaphysische Mängel, die aus den Gesetzen der Logik folgen. Die Basis einer möglichen Welt sind die nicht weiter teilbaren Grundbegriffe, deren Gesamtheit das System der Wissenschaften bildet, und die den Begriffen zugeordneten Dinge die reale Welt konstituieren. Grundbegriffe sind widerspruchsfrei, jedoch nicht immer ihre Kombinationen (vgl. Leibniz VII, S. 195). Sind diese widerspruchsfrei, compatibel, spricht Leibniz von Compossibilität. Da jede compossible Kombination eine mögliche Welt darstellt mit einem Maß an Realität, wählt Gott unter diesen Kombinationen die Welt nach Maßgabe der größten Realität. In einer solchen Welt sind Begriffe, Dinge und Ereignisse am besten – logisch – aufeinander abgestimmt. Das ist die Freiheit Gottes und darin ist er zugleich abhängig von der Logik. Der Mangel besteht darin, dass nicht alle Grundbegriffe zum Einsatz kommen können.

 Verbesserungen der mit Mängeln behafteten Gesellschaft schlagen Trans- und Posthumanisten vor, aber auch Vertreter von Regierungen. Der Mensch hat neben Diktaturen, Monarchien, Aristokratien oder dem Kommunismus die Herrschaftsform der Demokratie entwickelt, die den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt, seine Würde achtet und die Menschenrechte respektiert. Zugleich hat er eine hochkomplexe Technik entwickelt, die die Gefahr birgt, sowohl die Spezies Mensch als auch die Demokratie abzuschaffen. Immer wieder wird in Frage gestellt, ob der Mensch bereit oder fähig ist, sich und die Technik in eine humane Zukunft zu führen. Etwa durch den Transhumanisten und PayPal-Gründer Peter Thiel, für den Freiheit und Demokratie unvereinbar sind, da sie visionäre Ideen, wirtschaftliche Interessen und technische Möglichkeiten begrenzen. In China wird die Technologie genutzt, um Vorlieben, Verhalten und Konsum der Bürger durch Algorithmen zu sammeln und zu benoten, um Kreditwürdigkeit und Loyalität dem Staat gegenüber zu prüfen und um private, soziale und berufliche Karrieren zu steuern. In dem digitalen Punktesystem erhält jeder Bürger Punkte (social scores), die den guten vom schlechten Bürger scheiden. Hier soll die neueste Technologie Mängel überwinden: die Mängel der Korruption, der Illoyalität und der politischen Gleichgültigkeit der Menschen. Was jedoch für viele Menschen ein unerträglicher Akt der Freiheitsberaubung sein dürfte und das Ende wirklicher, ausgehandelter Gemeinschaftlichkeit.

 Verbesserungen von Mängeln sowohl der Natur als auch des Universums schlagen Vertreter der neuen Technologien vor. Der Versuch, die Natur und das Universum zu verbessern, besteht darin, Künstliche Intelligenz zu nutzen, um bessere Energiebilanzen, bessere Fertigungstechniken und effizientere Anbaumethoden zu produzieren, um die Natur zu schonen, die gerade von derjenigen Menschheit beschädigt wird, die es zu erhalten gilt. Doch auch das Universum soll von den neuen Technologien profitieren. Allerdings gehört die Zukunft im Weltraum nach Jürgen Schmidhuber, dem Experten für Künstliche Intelligenz und kognitive Robotik, nicht den Menschen, „sondern der Künstlichen Intelligenz. Sehen wir die Menschheit als bedeutende Stufe für den nächsten Schritt des Universums hin zu immer unfassbarerer Komplexität“ (Stöcker, 2016).

 

9. Künstliche Intelligenz, Klone und Robotik sollen den Menschen entmängeln

 

Die fortschreitende Digitalisierung des privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Lebens macht zahlreiche Probleme sichtbar. Die veränderte Beziehung der Menschen zueinander, ihre neuen Arbeitswelten und das veränderte Bild, das sie sich von sich machen. Die Sehnsucht der Materie setzt sich in Denkern und Forschern fort, um mithilfe der neuen Technologien die Spezies Mensch zu überwinden.

 Am weitesten gehen die Transhumanisten. Sie wollen dem Mängelwesen Mensch die Mängel nehmen. Dem menschlichen Leib stellen sie den perfekten Körper von Robotern entgegen, und in der Verschmelzung von Maschine und Mensch wollen sie die mentalen Merkmale wie Gefühl, Denken und Moral durch materielles Equipment wie implantierte Computerchips und das Mind uploading simulieren und potenziell ersetzen. Die Materie hätte ihre Sehnsucht vorübergehend gestillt: Als Atom und Molekül begonnen wären sie in einem neuen Material angekommen: Aus kohlenstoffbasiertem wäre siliziumbasiertes Leben geworden. Allerdings würde die Entwicklung weitergehen, vermutlich als Versuch, sie menschenähnlicher zu machen. Eine Leistung des menschlichen (kohlenstoffbasierten) Geistes, der diese Umformungen eingeleitet hat.

 Der Trend der menschlichen Entwicklung seit der Industrialisierung hat zu einer Verbesserung der Lebensqualität der meisten Menschen geführt. Die Anwendungen der neuesten Werkzeuge wie Nanotechnologie, Medizintechnik, neuartige Materialien, virtuelle Realität, Künstliche Intelligenz, Robotik oder Bionik haben so gravierende Wirkungen auf die Natur, den Menschen und die Gesellschaft, dass die Menschheit sich für ihren Weg in die Zukunft rasch entscheiden muss. Der Mensch denkt und handelt analog und linear, doch seine intelligenten Erzeugnisse arbeiten so beschleunigt, dass die Prozesse exponentiell voranschreiten und die Technologien etwa durch Deep Learning eigenständig geworden sind. Das hat zum Problem der Black Boxes geführt, weil Computeralgorithmen undurchschaubar geworden sind und selbst Experten nicht mehr nachvollziehen können, wie Resultate und Urteile von Maschinen zustande kommen. Daher mangelt es auch an einer methodischen Weitsicht: Alles wird realisiert, doch „ohne Plan, ohne Aufsicht“ (Leonhard S. 26) und möglicherweise auch ohne die Chance einer Korrektur.

 Da sich die Menschheit eine neue Umwelt geschaffen hat, die sie selbst nicht mehr kontrollieren kann, besteht die Notwendigkeit, sich ihr erneut anzupassen. Die Post- und Transhumanisten gehen davon aus, dass sie genau die Technik anbieten, die in der Lage ist, die Probleme der gegenwärtigen Welt – Krieg und Armut, Umweltverschmutzung und Weltbevölkerung, Migration und Klimawandel – zu überwinden, indem selbstlernende Maschinen eine perfekte Welt schaffen. Daher stellt sich dann die Frage: Brauchen Erde und Universum den Menschen noch?

 

10. Die Philosophie und das moralische Recht auf Mängel

 

Eine Philosophie des Digitalen thematisiert diese Frage. Dazu gehört die Beschäftigung mit dem Analogen und dem, was den Menschen zum Menschen macht: Leib, Gefühl, Empathie, Sinnlichkeit, Sozialität und Wohlbefinden. Nicht das Digitale, Diskrete, denn die Reduktion allen Seins auf binäre Strukturen folgt demselben Geist, der in der Unempfindlichkeit zum Ausdruck kommt, mit der wir der Naturzerstörung, der Vergiftung und Überproduktion von Lebensmitteln, dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten und der Durchseuchung der Meere mit Plastik zusehen. Urbanisierung, Technik, Bewegungsmangel und Ernährungsweisen drängen das Unmittelbare des Leibes zurück, so dass die Integration von Maschinenteilen in den Leib, Designer-Babys oder der Umgang mit Robotern kaum problematisch scheinen. Doch das Bild, dass sich der Mensch von sich macht, wird davon beeinflusst. Das Körperbild ist eine Vorstellung vom eigenen Körper, von den Gliedmaßen, des Kopfes, der Hautfläche sowie der Gleichgewichts- und Bewegungsorgane im Innen der Umwelt. Das Körperbild bestimmt die Identität und das Selbstbewusstsein des Menschen, die durch alles, was sich am Körper ereignet, modifiziert werden. Daher ist die Differenz des menschlichen Leibes und des humanen Geistes zu einer Maschine, die lediglich Nullen und Einsen versteht, in ganzer Tragweite zu befragen. Was ändert der Chip unter der Haut oder im Gehirn am Körperbild des Menschen? Was bedeuten digitale Geräte, Wearables, die wir am Körper tragen? Was die Stunden vor dem Monitor und mit dem Mobiltelefon?

 Und warum interessiert uns nicht, wer was mit unseren Daten macht? Weil wir sie noch nicht verleiblichen, in uns hineinholen und ihnen nachspüren können. Weil sie noch nicht als zu unserem Wesen zugehörig erlebbar sind. Sie erscheinen zu abstrakt. Daten sind eine Währung – das neue Gold –, sind aber vor allem die Mitte des Humanen. Daher stehen das Humane und die Würde des Menschen auf dem Spiel. Nicht allein also durch diejenigen, die die neuen Technologien entwickeln, sondern ebenso durch uns, durch diejenigen, die sie anwenden – die Konsumenten. Gegen das Denken und Handeln im Sinne reiner Effizienz ist ein Denken zu praktizieren, das stärker die rechte Gehirnhälfte in Anspruch nimmt, um das Kreative, Schöpferische und Poetische – über das Maschinen nicht verfügen – zu bewahren.

 Wollen wir Humanität und Würde bewahren, müssen wir rasch und engagiert handeln, denn die technischen Fortschritte sind so rasant, dass wir zu spät kommen könnten. Wir stehen an einem Scheidepunkt, der Entscheidungen fordert, an denen alle gesellschaftlichen Interessensgruppen wie Politik und Zivilgesellschaft, wie Wissenschaft, Unternehmen und Medien beteiligt sein müssen, denn die Erzeugnisse der Technik sind tief in der Gesellschaft verankert, weil sie aus unseren Bedürfnissen, Absprachen und Sehnsüchten hervorgehen. Nicht abgestimmt und demokratisch legitimiert überschreiten IT-Unternehmen die Grenzen der Nationalstaaten. Die Politik duldet das, weil die Unternehmen Millionen von Arbeitsplätzen schaffen.

 Gegen den Verlust des Humanen und Analogen und dem damit verbundenen Verlust von Intuition, Gefühl und Sozialität hat Zukunftsforscher Gerd Leonhard eine digitale Ethik entworfen. Da Maschinen heute kaum noch zu kontrollieren sind, dürfe nichts mehr hergestellt werden, ohne zuvor zu bedenken, welche Risiken ihrer Anwendung folgen. Leonhard schlägt einen globalen Ethik-Rat vor mit einem Grundsatzprogramm für digitale Menschenrechte und einem globalen Abkommen mit der Autorität, Zuwiderhandlungen zu sanktionieren. Den Menschenrechten hat er fünf neue (digitale) Menschenrechte hinzugefügt: Jeder hat das Recht, 1. ein natürlicher, nicht erweiterter Mensch zu bleiben, 2. ineffizient zu sein, 3. abzuschalten, sich vom Netz zu trennen, 4. anonym zu bleiben, 5. Menschen zu beschäftigen anstelle von Maschinen (vgl. Leonhard S. 169ff).

 Eine digitale Philosophie und Ethik ergibt sich auch aus der Frage nach der Macht und nach den Urhebern des Machens. Daher wird die Menschheit in die Erforschung von Philosophie und Ethik zur Förderung humaner Eigenschaften investieren müssen und um die Frage nach seiner Sehnsucht zu beantworten: Wer will er in Zukunft sein und wie will er handelnd dorthin gelangen.

 Künstliche Intelligenz und Roboter haben keinen Leib. Und keine Sinne, die den Menschen mit der Welt bis in jede Faser hinein verbinden. Maschinen können Informationen austauschen, aber im menschlichen Sinne nicht kommunizieren, sie werden nie Glück, Empathie, Vertrauen und Wohlbehagen empfinden und keinen eigenen Geschmack ausbilden. Sie können das nur simulieren. Paläoanthropologin Nina Jablonski sagt: „Nur wirkliche Menschen mit breiigen, grau-rosa, neuronalen Schaltkreisen können die durch und durch menschlichen Tätigkeiten der Introspektion und Reflexion auf das Wesen der Existenz unternehmen (S. 469).“ Daher wird die Menschen ihre Sehnsucht nach Humanität, Würde und Existenz antreiben, sich mit den Gefahren Künstlicher Intelligenz, Gentechnologie und Robotik auseinanderzusetzen und geeignete Maßnahmen zu finden für Wege in eine offene Zukunft, die Raum für Sehnsucht, Reflexion und Mangel lässt.

 

 

 

 

 

Literatur

Anders, Günther, Die Antiquiertheit des Menschen, Gütersloh 1980

Brockman, John, Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten? Die führenden Wissenschaftler unserer Zeit über intelligente Maschinen, Frankfurt/M. 2017

Cioran, Emil M., Auf den Gipfeln der Verzweiflung, Frankfurt/M. 1997

Darwin, Charles, Gesammelte Werke, Frankfurt/M. 2009

Demuth, Volker, Der nächste Mensch, Berlin 2018

Eickhoff, Hajo, Himmelsthron und Schaukelstuhl. Die Geschichte des Sitzens, München Wien 1993

Gehlen, Arnold, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, Wiebelsheim 2009

Grunwald, Armin, Der unterlegene Mensch. Die Zukunft der Menschheit im Angesicht von Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und Robotern, München 2019

Harari, Yuval Noah, Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, München 2017

Heidegger, Martin, Die Technik und die Kehre, Tübingen 1982

Jablonski, Nina, Die nächste Phase der Evolution des Menschen, S. 469-471, in: Brockman, John, Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten? Die führenden Wissenschaftler unserer Zeit über intelligente Maschinen, Frankfurt/M. 2017

Kant, Immanuel, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Göttingen 2019

Leibniz, Gottfried Wilhelm, Die philosophischen Schriften, hrsg. v. Gerhardt, C.I., Bd. I–VII, Hildesheim 1965

Leonhard, Gerd, Technology vs. Humanity. Unsere Zukunft zwischen Mensch und Maschine, München 2017

Lorenz, Konrad, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, München 1973

Mainländer, Phillipp, Philosophie der Erlösung, ausgewählt von Ulrich Horstmann, Frankfurt/M. 1989

Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra, Stuttgart 1987

Platon, Das Gastmahl, Ditzingen 2008

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Stöcker, Christian (2016, 02.02., Künstliche Intelligenz wird das All erobern). Abgerufen 12.06.2019 von  https://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/juergen-schmidhuber-der-weltraum-ist-fuer-roboter-gemacht-a-1074759.html

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