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aus Der Themenpark der Expo 2000, Band 2, Wien New York


Weisheit des Holzes

Von der Wiege bis zur Bahre



Baum und Holz


Die Erde hat nach Milliarden von Jahren ihrer Existenz ein faszinierendes, kurioses und zwiespältiges Wesen zur Welt gebracht: den Menschen. Eine aufrecht auf zwei Beinen stehende, unsichere und mit schwachen Körperwerkzeugen ausgestattete Gestalt, die über sensible Fußsohlen, vielseitig taugliche Hände und dabei über einen technischen Verstand verfügt. Faszinierend, da der Mensch vielerlei Fertigkeiten auszubilden vermag, und ihm vielfältige Lebensformen und Aufenthaltsorte zur Verfügung stehen. Kurios, da geistige Kräfte ihn befähigen, als Kulturwesen eigene Formen des Daseins zu entwickeln und die Welt als ein sinnvolles Ganzes zu entwerfen. Zwiespältig, da er als Naturwesen und Kulturwesen ein Stück über die Natur hinausgehen und Kultur und Technik hervorbringen kann.

 

Der Mensch richtet sich ein in der Welt im Zusammenspiel freier Entscheidungen und seiner Fügung in die Umwelt. Für jede neue Lebensform und Fertigkeit muss er sich entscheiden. Der Mensch ist sprachbegabt, speichert seine Erfahrungen und spricht über nicht anwesende Dinge und Personen. Er besitzt Abstraktionsvermögen und kann sich von seiner Unmittelbarkeit, der Natur, lösen und neben seine Welt Gedankenwelten stellen, die er dann zu realisieren trachtet. Indem er sie realisiert, bringt er seine Umwelt selbst hervor. Im Verlauf der Geschichte hat er die Erde mit einer künstlichen Haut überzogen und die disparaten Lebensräume der Menschen zu einer einzigen Welt zusammengeschlossen: zu Sonne und Erde, zu Wasser, Atmosphäre und Klima. Griff sein Tun gelegentlich und zufällig in evolutionäre Abläufe ein, zielt er heute direkt darauf. Er hat die natürliche Oberfläche der Erde durch eine Welt technisch erzeugter Produkte ersetzt und zersetzt, wodurch Gewässer, Boden und Atmosphäre aus dem Gleichgewicht geraten. Die Globalität der Störung hat den Menschen gezwungen, sich und seine Umwelt zum Thema zu machen und auf die Bedrohung dieser einen Welt der Pflanzen, Tiere und Menschen zu antworten.

 

Leben auf der Erde hat sich in kosmischen Zeiträumen entfaltet. Seine Basis bilden die grünen Pflanzen. Zuerst brachten sich die vier Elemente Erde (Erdboden), Feuer (Sonne), Wasser (Flüsse, Seen, Meere) und Luft (Atmosphäre) in ein Austauschverhältnis zueinander. Wasserpflanzen und die Sonne produzierten die Atmosphäre. Dazu war die Ausbildung eines Stoffes wie das Chlorophyll der grünen Pflanzen erforderlich, das die Sonnenenergie chemisch umwandelte. Die Erwärmung der Erde allein ließ noch kein Leben entstehen. Die Photosynthese im pflanzlichen Plankton setzte Kohlendioxid in Sauerstoff um, den sie in die Atmosphäre entließ. Nach der Bildung einer Ozonschicht konnten Wasserpflanzen ihr schützendes Element verlassen und den trockenen Erdboden bearbeiten: ihn auflockern, verfeinern und durch Mikroorganismen beleben, bis er zu einem durchlässigen Geflecht aus Mineralien, Bakterien und kleinstem Getier wurde und eine artenreiche Pflanzenwelt und Tierwelt hervorbrachte. Mit Chlorophyll und Photosynthese brachten die vier Elemente Leben auf die Erde.

 

Das Klima schließt die vier Elemente enger zusammen. Das Klima – Vorgänge in der Atmosphäre infolge der Sonneneinstrahlung – hängt von der Neigung oder dem Breitengrad ab, mit der die Strahlen auf die Erde treffen, sowie von der Vegetation, den Meeresströmungen und Gebirgen und von der Verteilung von Festland und Wasser. Die Sonne verursacht Wasserdampf und bildet den Antrieb für die Zirkulation: Der Wind verteilt die Wolken über die Erde, die Regen bringen, und verstreut Blütenstaub und Samen. Geographische Formationen führen Regenwasser und Quellgewässer in Flüssen durch die Kontinente. Indem sie Wärme absorbieren, Gase der Atmosphäre chemisch umsetzen und diese den Lebewesen erhalten, kommen den grünen Pflanzen grundlegende Aufgaben bei der Entstehung und Stabilisierung des Klimas zu.

 

Grüne Pflanzen sind die einzigen Produzenten. Sie ernähren sich selbsttätig. Sie sind nicht auf organische Stoffe angewiesen, da sie diese in sich selbst herstellen. Alle anderen Lebensformen sind Konsumenten und von der Aufnahme der durch Pflanzen aufbereiteten Substanzen abhängig. Daher die enorme Bedeutung der Großpflanzen für alle Landbewohner. Damit sie aus dem flüssigen Element heraustreten und hoch und aufrecht stehen konnten, bildeten sie ein Skelett aus, das Holz, mit dem sie den fehlenden Auftrieb des Wassers ersetzten und ihren Halt sicherten. Eine Hautschicht unter der Baumrinde, das Kambium, erzeugt das Holz, das als kreisförmiger Jahresring nach innen abgestoßen wird. Holz ist das Gebein des Baumes. Es wird sichtbar, wenn der Baum stirbt. Durch ihren festen Hauptstamm ragen Bäume weit in die Atmosphäre und verbinden Grundwasser, Boden und Luft miteinander. Sie sichern das Grundwasser, speichern Wärme, schützen vor Erosion, geben Lebewesen Nahrung, Sauerstoff und Schutz und kühlen die Atmosphäre. Sie sind Stabilisatoren der Lebensbedingungen auf der Erde.

 

Diese pflanzliche, tierische und atmosphärische Welt ist die Umwelt des Menschen. In diesem Ökosystem, diesem Biotop und Oikos ist es vor allem der Baum, an dem der Mensch seine schöpferischen Anlagen ausbildet und Kultur hervorbringt. Die Erzeugnisse des Menschen wie Industrie und Technik gäbe es nicht ohne Wald und Baum, da Holz die erforderliche Energie zur Gewinnung von Glas und Eisen sowie von technischen Produkten liefert. Bäume haben für den Menschen praktische, philosophische, mythologische und kulturelle Bedeutung. Dass er dennoch dieses für das Leben grundlegende Naturelement als erstes angreift und bis heute unnachgiebig verbraucht, verweist auf seine Zwiespältigkeit, die er all seinem Fühlen, Denken und Tun aufprägt.

 

Der Baum ist das Symbol des Wachsens, der Kraft und der Dauer. In ihm erkennt der Mensch seinen eigenen mythischen Ursprung. Er gibt dem Menschen ein Bild für seine Anschauung von der Welt: Das Bild für den Kosmos und das Sinnbild für Leben und Unsterblichkeit. Die mythische Kraft des Baumes rührt daher, dass er senkrecht steht und wächst, sich Jahr für Jahr erneuert, die größte Pflanze seines Lebensraumes und Basis allen Lebens ist. Diese ungewöhnliche Pflanze, die mehr als hundert Meter hoch und einige tausend Jahre alt werden kann, bildet in nahezu allen Kulturen einen mythologischen Hintergrund: Die paradiesischen Bäume, die Arche Noah, die Weltesche Yggdrasil der nordischen Sage oder das christliche Kreuz sind Bilder von Lebenskraft, Erkenntnis, Erlösung und Lebenssinn. Von der Erlösung des Menschen durch das Feuer spricht die Sage des Prometheus, der den Menschen in Form glühender Holzkohle das Feuer und damit Erkenntnis bringt. Die Aborigines kennen ein Seelenholz, das Tjuringa. Bei der Geburt eines Kindes wird es ausgesucht und an einem heiligen Ort verwahrt. Es gilt als unvergänglicher Leib eines Menschen und als Lebenskraft des Stammes. Geht es verloren, ist der Stamm zum Untergang verurteilt. Durch ihr viele Menschengenerationen überdauerndes Alter gelten Bäume als Träger von Weisheit. Davon profitiert ihr Material, das Holz. Der Philosophie ist es ein Thema als Grundstoff. Aristoteles sieht im Holz den Urgrund des Seins; in ihm ruhe die Möglichkeit zur Form und alles Werden und Vergehen liege ihm zugrunde. Holz ist noch kein Gegenstand, sondern Rohstoff. Bereit, geformt zu werden. Holzfällern sind Holzwege, die sonst Irrtum bedeuten, nützlich. Wird Philosophieren als Holzweg aufgefasst, ist der Mut angesprochen, mit dem sich jemand ins Unfertige und Widerspenstige begibt, ohne direkt ans Ziel gelangen zu können. Der Weg muss immer wieder neu bereitet, begangen, seine Richtung geändert werden. Holz ist ein vielseitiger Speicher, der die Erkenntnis und den mit der Erlösung frei werdenden Lebenssinn durch die Geschichte trägt.

 

Einst bedeckten Wälder mehr als die Hälfte der Landmasse der Erde. Sie bildeten ein bleibendesPotential an Holz, da Bäume immer wieder nachwachsen. Die praktische Bedeutung des Holzes nimmt mit der Sesshaftwerdung des Menschen sprunghaft zu und liegt in der Nutzung als Energieträger, Baumaterial und Werkstoff. Die Sesshaften lösen ihre enge Bindung an die Natur. Für den Hausbau, für Wiesen und Äcker legen sie Hand an die Wurzel der Bäume und roden Wälder. Mit kulturellen Mitteln verwandeln sie Bäume in Rohstoff und erzeugen eine Welt der Gegenstände. Schon das Auftreten der Sammler und Jäger führte zur Entwaldung weiter Gebiete. Selbst die Natur schuf immer wieder Bedingungen, durch die Tiere und Pflanzen ausstarben. Man könnte auch sagen, dass die Natur den Menschen für das übrige Leben wie eine Naturkatastrophe einsetzt, wie einen Meteoriteneinschlag oder wie eine um die Erde gelegte Eiszeit. Natürlicherweise fügt sich das Kulturwesen Mensch nicht in den Naturkreislauf ein: Da Wälder Lebensräume der Landlebewesen sind, bedeutet Rodung – zur Versorgung des Menschen – auch Vernichtung von Lebensraum.

 

In der Zeit vom Bau der ersten Häuser bis zur Industrialisierung wird die europäische Kulturgeschichte auch Hölzernes Zeitalter genannt. In ihm ist Holz der Hauptstoff menschlicher Produktivität. Häuser gehören zur Sesshaftwerdung des Menschen. Die ersten Behausungen sind aus Holz und haben Zeltform: Schlanke Baumstämme stecken schräg im Boden und bilden ein Dach. Zur Anhebung des Daches verwenden die ersten festen Häuser kräftige Stämme als vertikale Stützen. Im Holz sind Bau und Baum, Natur und Kultur miteinander verbunden. Im Haus fügt der Mensch dem natürlichen Gewächs ein kulturelles hinzu. Das Baumgerüst, das die Menschen Holz nennen, ist das Gebein des Hauses. Die erhöhte Produktivität infolge der Sesshaftigkeit führt zur Arbeitsteilung und zur Entstehung der Stadt, die den Holzverbrauch erhöht. Mit dem Fortschritt von Handwerk, Manufaktur und Technik nehmen Waldrodungen in großem Umfang zu. Die größte Steigerung des Holzverbrauchs erlebt Mitteleuropa, wo das Hölzerne Zeitalter seinen Höhepunkt vom Spätmittelalter bis zur Industrialisierung hat. Die Städte und der Bau von Schiffen, Geräten und Waffen verschlingen unermessliche Holzmengen. Mit der Herstellung synthetischer Materialien neigt sich das Holzzeitalter seinem Ende zu. Dennoch steigert die Industrie den Holzverbrauch, da die neuen Stoffe der Energie des Holzes bedürfen und der Konsum industriell gefertigter Produkte wächst. Alle Anlagen, die im Naturstoff Holz angelegt sind, werden ausgeschöpft, bis sie durch die spröden und kalten synthetischen Materialien Beton, Stahl, Glas und Plastik ersetzt und zu Grundstoffen der Produktion gemacht werden. Massiver denn je greift der Mensch ein in den Wald, bis die Nutzung von Holz das Bild der Erde wahrnehmbar verändert.

 

Holz ist ökologisch, komfortabel und universal. Fast alle Dinge des menschlichen Lebens sind vom Holz berührt. Holz ist für den Menschen der einzige Bau- und Werkstoff, der nachwächst. Er existiert in vielfältigen Zuständen und Gestalten: Ein Gegenstand kann aus Holz sein, Holz aber auch zu seiner Herstellung bedürfen. Holz dient als Energiequelle für andere technische Energien wie Dampfkraft, Wärme und Elektrizität, die auf der Verbrennung von Holz beruhen, gespeichert in fossilen Brennstoffen wie Torf, Braun- und Steinkohle. Auch Teer, Papier, Harz oder Zeichenkohle sind Holz. Holzgegenstände regen alle Sinne an. Holz ist Komfort. Es kann weich oder hart, glatt und biegsam sein, immer lässt es sich gut verarbeiten. Wie kein anderer Baustoff vereint es große Festigkeit mit hoher Wärmedämmung und ist weder durch Feuer noch durch Fäulnis besonders gefährdet. In den erhaltenen Särgen der Pharaonen und den Holzpfählen, auf denen Venedig seit Jahrhunderten errichtet ist, offenbart sich seine Lebensdauer. Da es der berührenden Hand weniger Wärme als andere Materialien entzieht, erscheint Holz als warmes Material. Bis heute begleitet es den Menschen auf seinem Lebensweg und beschreibt einen Weg der Identifikation und des Gefühls, auf dem sich Baum, Holz und Mensch Gebrauchsspuren zufügen. Kaum ist der Mensch geboren, wird er auf Holz gebettet. Entlang von Holzgegenständen wird sein Leben ausgerichtet: Tisch, Schrank und Tür, Stuhl, Treppengeländer und Spielzeug, Besteckgriff und Kleiderbügel, Streichholz und Bleistift. Auf dem Holzfußboden krabbelt das Kind. Auf ihm erhebt es sich allmählich, hier steht es zum ersten Mal. Als Erwachsener hat es mit Holzobjekten zu tun, mit Leitern, Booten, Fässern, Brücken, Arbeitsmaterialien. Jede Kultur hat ihre charakteristischen Holzobjekte. Wie das Abendland das Papier, das verflüssigte, zu dünnen Scheiben getrocknete und in verschiedene Formate gebrachte Holz. In Buchform ist Papier Hauptträger der abendländischen Kulturvermittlung. Ein Kulturbeschleuniger. Der hohe Verbrauch der Industrienationen an Papier verursacht großflächige Rodungen des Waldes, verbunden mit einer hohen Belastung für Atmosphäre und Wasser. Holz selbst ist dabei ökologisch. Die Sonnenenergie lässt Bäume wachsen, ihre Entsorgung bewerkstelligen Bakterien und Pilze, indem sie das Baummaterial in Wasser und Kohlendioxyd zerlegen. Ohne Rest. Seine Verarbeitung fügt sich problemlos ein in den Kreislauf der Natur, so dass Menschen noch Milliarden von Jahren auf der Erde leben könnten. Allerdings verbrauchen sie so viel Energie, dass sie nur noch für wenige hundert Jahre über fossile Energiequellen verfügen und sich und die Natur in ihrer Vielfalt, Dynamik und Lebendigkeit existentiell gefährden. In der Arbeit am Holz entwickelt der Mensch sein Wissen und verdichtet sein Können, durch das er die Natur immer effektiver in gestaltete und funktionierende Objekte transformiert, sie dabei aber auszuhöhlen droht.

 

Seit der Sesshaftigkeit folgt der Mensch einem Programm. Unbewusst. Er arbeitet am Naturstoff und an seiner Umwandlung in künstliche Materialien und Produkte. Da die Künstlichkeit der Produkte und ihr Verbrauch durch das Bevölkerungswachstum und den gesteigerten Konsum zunehmen, führt die Entsorgung nicht mehr in einen regenerativen Kreislauf zurück, sondern erweist sich als unvollendbare Zersetzung von Produkten, die zu einer Anhäufung von Überresten führt, zu Müllhalden, Schrott und nicht integrierbaren Substanzen, die Böden und Gewässer vergiften, Wälder zerstören und die Atmosphäre belasten. Die durch das Überschreiten von Grenzbelastungen der Erde entstandene Umweltkrise ist Ausdruck des zwiespältigen inneren Zustands des Menschen. Umwelt ist ein Ausdruck der Innenwelt des Menschen. Der Mensch, der sich in erster Linie als Kulturwesen definiert, kann die Krise nur überwinden, wenn er seine Zwiespältigkeit und die aus ihr folgenden Grundmotive seines Denkens und Handelns annimmt. Er könnte dann durch seinen Wunsch, Kultur- und Naturwesen zugleich zu sein, Alternativen zur einseitigen Kultivierung der Natur unterstützen.

 

Nicht nur Transportmittel, Massentourismus und Telekommunikation schließen die Menschheit global zusammen, auch das Ausmaß des Verbrauchs hat die hohe Umweltbelastung vieler Regionen der Erde zu einer globalen Umweltkrise verdichtet. Der Mensch hat die einst urwüchsigen Territorien mit gigantischen künstlichen und technischen Einrichtungen wie Fabrikanlagen, riesigen Freizeitkomplexen, Hochhauskonglomeraten, künstlichen Landschaften und Straßensystemen überzogen. Die daneben entstandenen unvertilgbaren Substanzen und unauflösbaren Reste, die bisher zur Bildung von Kultur gehörten, hat er nicht wahrgenommen oder verdrängt. Kultur ist Natur plus Abfall. Da Eingriffe in die Natur in archaischer Zeit als gering oder natürlich erschienen, hatten die Menschen den Eindruck, in den Fluss Geworfenes oder in die Luft Entlassenes würde von ihnen weg, aus der Welt heraus treiben. Heute, da die vielen disparaten Welten eine globale, eine einzige Welt geworden sind, gibt es kein Außen und kein Hinaus mehr aus der Welt. Der Abfall bleibt. Er ist mehr als der trostlose Anblick der Unbenutzbarkeit und der Melancholie. Zur Kultur, die ihn erzeugt, ist Abfall der notwendige Überschuss.

 

Gegenwärtig zwingt die Natur das Wesen, dem sie die Chance gab, sich über die Natur zu erheben, zurück in den Kreislauf, wenn es seine Art erhalten will, da die zyklische Regeneration der Natur für jedes zukünftige Leben auf der Erde Bedingung ist. Um sie zu erfüllen, muss der Mensch seine Intelligenz auf die Ausbildung regenerativer Energien konzentrieren, vorhandene Energien rationell und maßvoll verwenden und den Verbrauch der Ressourcen in einen Kreislauf – das Recycling – hineinführen, um bekannte erneuerbare Energien zu nutzen und neue zu entwickeln. Um das Leben und die vorhandenen Energien nicht zu verbrauchen, muss jeder Gebrauch reversibel sein.

 

Globales Denken meint die Konzentration auf die Erde, auf der sich das gesamte Leben abspielt. Globales Handeln meint eine alle Menschen einbeziehende Ethik, die den privaten, nationalen, kontinentalen Blick der Macht und des Eigennutzes abstreift. Die globale Perspektive wäre, von einem kosmischen, philosophischen Standort aus auf die Erde zu sehen und zu erkennen, dass sich menschliches Handeln im planetarischen Zeitalter nicht auf diese Kultur, jene Nation oder jenen Glauben beziehen darf, sondern die gesamte Menschheit umfassen muss. Der Blick von außerhalb auf die Erde hat das Selbstverständnis des Menschen verändert. Der globale Mensch ist Planetarier und Kosmopolit, da er zum ersten Mal den globalen Einfluss seines Tuns übersehen kann. Er muss sich, auch um seiner selbst willen, um die Sache der Gemeinschaft – die zur Weltgemeinschaft gewachsen ist – sorgen und sich für sie engagieren.

 

Der Mensch hat seinen Verstand geschärft, angeborene Schwächen und Unsicherheiten kompensiert und eine schillernde und eine trostlose Welt hervorgebracht. Trotz des gewaltigen Potentials sind sowohl die Menschheit als auch der einzelne Mensch nach dem unbändigen, ameisenhaften Fleiß des Formens, Zerhauens und der Bildung hochkomplexer Kunstwelten wieder auf ihre bare Existenz zurückgeworfen. Die Krisen der Umwelt und der Innenwelt treffen den Menschen existentiell. Bisher hat er lediglich seinen technischen Verstand unter Beweis gestellt, nun müsste er zeigen, dass er auch das mit Vernunft begabte Wesen ist, für das er sich hält. Das Politische erreicht in der Globalität der Umweltverhältnisse seinen höchsten Ausdruck und Anspruch, das Globale zeigt sich in den zyklischen Regenerationskräften von Baum und Wald, die dem Menschen eine Richtung weisen, in der für Tier und Mensch eine Zukunft liegt, die es ohne den Baum nicht gibt. Fragen der Macht, der Religion, der Differenz von arm und reich, von Nord und Süd oder der ethnischen und kulturellen Zugehörigkeit bilden keine ausreichende Basis mehr für politisches Handeln. Für politisches Handeln sind heute Globalität, Recycling und das Rückführen der Naturprozesse in Kreisläufe Motor und Substanz, die zugleich Strategien sind für die in der menschlichen Faszination, Kuriosität und Zwiespältigkeit angelegte Verantwortlichkeit.

 

 

© Hajo Eickhoff 2000





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